Der Vorsitzende der Likud-Partei und ehemalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat mit seinem Bündnis die Parlamentswahl gewonnen (Archivbild). Foto: dpa/Ilia Yefimovich

Ex-Regierungschef Benjamin Netanjahu steht in Israel vor einer Rückkehr an die Macht. Größter Wahlgewinner ist jedoch nicht seine eigene Likud-Partei, sondern die „Religiösen Zionisten“ mit radikalen Wahlversprechen.

Israels langjähriger früherer Ministerpräsident Benjamin Netanjahu scheint vor einem triumphalen Comeback zu stehen: Nachdem fast alle Stimmen der Parlamentswahl vom Dienstag ausgezählt sind, gewinnt sein rechts-religiöser Parteienblock offenbar eine Mehrheit von 65 aus insgesamt 120 Mandaten. Einen so eindeutigen Sieg eines politischen Lagers hat Israel seit Jahren nicht gesehen. Die bislang regierende Acht-Parteien-Koalition unter dem zentristischen Ministerpräsidenten Jair Lapid kommt nur noch auf voraussichtlich 50 Mandate.

„Religiöser Zionismus“ legt stark zu

Selbst wenn sich die Kraftverhältnisse leicht verschieben sollten, steht ein Gewinner der Wahl schon fest: Die Partei „Religiöser Zionismus“, die die Zahl ihrer Mandate seit der letzten Wahl mindestens verdoppeln kann und mit nun 14 bis 15 Sitzen drittstärkste Kraft werden dürfte. In einer rechten Koalition wäre die Partei gar zweitstärkste Kraft, während Netanjahus eigene Likud-Partei gegenüber ihren Partnern – neben „Religiöser Zionismus“ zudem zwei ultraorthodoxe Parteien – in eine Minderheitsposition geriete. Eine solche Ausgangslage gäbe den religiösen Zionisten erheblichen Einfluss.

Zu den Wahlversprechen des „Religiösen Zionismus“ zählen Reformen des Justizsystems, die womöglich Netanjahu von dem Gerichtsprozess befreien könnten, dem er sich wegen Vorwürfen von Betrug, Bestechung und Untreue stellen muss. Der Vorsitzende des „Religiösen Zionismus“, Bezalel Smotrich, will Politikern mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern geben und ausgerechnet den Strafbestand der Untreue aus dem Gesetzbuch streichen. Netanjahus Likud-Partei lässt zwar verlauten, die Streichung dürfte nur für zukünftige Fälle gelten. Viele Experten glauben jedoch nicht daran.

Die Politikwissenschaftlerin Gayil Talshir von der Hebräischen Universität in Jerusalem fürchtet, dass die geplanten Justizreformen die demokratische Gewaltenteilung zugunsten der Exekutive verändern könnte. Bislang kann der Oberste Gerichtshof Gesetzesvorhaben aufheben, die den israelischen Grundgesetzen widersprechen. Smotrichs Vorhaben würde das ändern.

Folgen für Siedler im Westjordanland

Dazu dürfte die neue Regierung eine höchst konservative, wenn nicht gar illiberale Sozialpolitik verfolgen. Smotrich, der Justizminister werden will, beschreibt sich als „stolzer Homophob“ . Auch die angespannte Lage im Westjordanland dürfte sich unter einer hart rechten Regierung weiter zuspitzen. Der „Religiöse Zionismus“ hat unter den israelischen Siedlern im Westjordanland besonders viele Anhänger. Smotrich und die Nummer Zwei der Partei, Itamar Ben-Gvir, wollen die Siedlungen „stärken“, sprich: ausbauen und damit eine eventuelle Teilung der Gebiete noch schwerer, wenn nicht unmöglich machen. Wie viel ihrer radikalen Agenda sie durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Doch: „Es ist noch nie passiert, dass eine so extreme Partei eine so starke Kraft im Parlament wird“, sagt Talshir. „Und ich denke, sie wird sich in der israelischen Politik halten.“