Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schüttelt nach der Stimmabgabe am Sonntag Hände. Foto: AFP/Ludovic Marin

Bei der Wahl zur Nationalversammlung in Frankreich liegt das Bündnis von Präsident Emmanuel Macron gleichauf mit dem Linksblock von Jean-Luc Mélenchon. Aufgrund des komplizierten Wahlrechtes kann Macron aber mit einer klaren Mehrheit im zweiten Wahlgang rechnen.

Zwei Bündnisse hatte am Sonntagabend gemeinsam die Nase vorn: Sowohl die „neue ökologische und soziale Volksunion“ von Jean-Luc Mélenchon wie auch die Allianz „Ensemble“ von Emmanuel Macron erhielten laut ersten Auswertungen jeweils rund 25 Prozent der Stimmen, wobei Macrons Allianz knapp vorne lag.

Dieses Resultat bedeutet zwar einen Erfolg für das Linksbündnis aus Sozialisten, Grünen, Kommunisten und Mélenchons „Unbeugsamen“. Gegenüber den Umfragen der letzten Wochen haben sie damit zugelegt. Ihr Anführer sprach am Sonntagabend von einem „Sieg“ seines Verbundes und nannte es ein „herrliches Resultat“.

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Das Mehrheitswahlrecht bringt es allerdings mit sich, dass die linke Allianz in der Nationalversammlung nur etwa 180 bis 200 Sitze erobern dürfte, wenn die Berechnungen der Umfrageinstitute stimmen. Macrons Allianz werden demnach 260 bis 310 Sitze prophezeit. Damit könnte der Präsident eine Mehrheit erringen. Da jeder der 577 Wahlkreise einzeln ausgerechnet wird, sind globale Vorhersagen aber sehr unsicher.

Die Rechtspopulisten von Marine Le Pen kommen laut Berechnungen auf 19 Prozent der Stimmen, weniger als bei den Präsidentschaftswahlen im April. Sie dürften im Parlament auf nur etwa zehn bis 25 Sitze kommen. Die konservativen Republikaner erhielten knapp 14 Prozent Stimmen, also weniger als Le Pen, dürften in der Nationalversammlung aber etwas mehr Sitzen erhalten, nämlich 50 bis 80.

Der Widerstand gegen Macron wächst

Sicher ist eins: Macron wird in seiner zweiten Amtszeit ein noch härterer Widerstand erwachsen als im ersten Mandat, in dem er gegen eine Gelbwestenkrise kämpfen musste. Sollte es wider Erwarten die Liste des Linkenchefs Jean-Luc Mélenchon bei der Stichwahl in einer Woche die Parlamentsmehrheit erringt, kann sie selber die Regierung stellen. Bei dieser so genannten „Cohabitation“ gehörten der Präsident und die Regierung unterschiedlichen Lagern an.

Macron wäre konkret gezwungen, seinen Premierminister aus dem Linkslager zu ernennen. Mélenchon erhebt seit Wochen Anspruch darauf. Würde er mit der Leitung der Regierungsgeschäfte betraut, wäre Macron im Unterschied zu seinem ersten Fünfjahres-Mandat nicht mehr der omnipotente Wahlmonarch. Er müsste eine oppositionelle Regierung dulden, eine Art Gegen-Regierung, und ihr gegenüber hätte der sonst so omnipotente französische Staatschef kaum mehr zu sagen als der deutsche oder italienische Präsident.

Von rechts droht Marine Le Pen

Wenn die Wähler Macron im zweiten Durchgang in einer Woche eine Mehrheit in der Nationalversammlung auf den Weg geben, stünde es nicht viel besser um den Präsidenten. In diesem Fall wird er den geballten Widerstand der breiten Nupes-Allianz aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und Mélenchons „Unbeugsamen“ zu spüren bekommen – und zwar im Parlament wie auch auf der Straße. Und von rechts droht die Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Schafft Macron seine wichtigste Reform in seinem zweiten Mandat, das bis 2027 laufen wird? Viele zweifeln daran. Macron ist geschwächt; obwohl er die Reform vereinfacht hat und sie auf die Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 65 Jahre beschränkt, muss er bereits Abstriche machen. Das Rentenalter 65 sei „kein Totem“, ließ er verlauten; möglich sei auch ein Ruhestand mit 64. Das sagte er, noch bevor Mélenchons Allianz formiert war. Sie will das Rentenalter gar auf 60 Jahre senken – und hat damit laut Umfragen 68 Prozent der Franzosen hinter sich.