Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran informiert sich im Département Moselle über den Ausbruch des Corona-Virus. Foto: AFP/JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN

Deutsche Ministerpräsidenten bringen Grenzschließungen zum französischen Département Moselle ins Gespräch

Paris - Mit großer Sorge beobachten französische Mediziner die rasante Ausbreitung von Corona-Infektionen im Département Moselle. Besonders alarmierend ist, dass in der Region unmittelbar an der Grenze zum Saarland innerhalb der vergangenen vier Tage rund 300 Fälle identifiziert worden sind, die auf die hochansteckende brasilianische und südafrikanische Variante zurückgehen. „Die Situation ist seit einigen Tagen sehr schwierig“, sagt Jean Rottner, konservativer Präsident der Region Grand-Est. „Die Inzidenz liegt inzwischen bei 400 Fällen, mit einer starken Zunahme bei jungen Menschen.“ Die Lage in den angrenzenden Départements des Grand-Est sei hingegen relativ stabil. Abgesehen von den neuen Varianten gehört das Département Moselle zu den derzeit am stärksten vom Coronavirus betroffenen Regionen Frankreichs. Der Inzidenzwert liegt dort bei 290 Fällen je 100 000 Einwohnern und damit deutlich unter dem Frankreich-weiten Schnitt von 201.

Der Gesundheitsminister eilt vor Ort

Angesichts der angespannten Situation im Osten des Landes machte sich der französische Gesundheitsminister Olivier Véran noch am Freitag selbst ein Bild der Lage. Er war danach vor allem bemüht, die Gemüter zu beruhigen. Betroffen sei vor allem der Norden des Départements, während im Süden kaum neue Fälle von Infektionen mit dem neuen Virus zu verzeichnen seien, erklärte der Minister in einer improvisierten Pressekonferenz. Er betonte, man habe die betroffenen Cluster und die Infektionsketten identifiziert und isoliert. Es bestehe also im Moment keine Gefahr, dass das Gesundheitssystem angesichts der hohen Infektionszahl überlastet werde. Allerdings werde man in den nächsten Tagen noch mehr Tests durchführen, zudem sollen 2000 zusätzlichen Impfdosen geliefert und in den Impfzentren verabreicht werden, die unter diesen Umständen nun auch am Samstag und am Sonntag arbeiten würden. Zu möglichen Schulschließungen wollte er sich nicht äußern, bevor er sich in Paris mit dem Bildungsminister Jean-Michel Blanquer besprochen habe, sagte Olivier Véran.

Frankreich von Pandemie schwer getroffen

Frankreich ist eines von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder. Seit Beginn der Epidemie sind mehr als 80 000 Menschen gestorben. Seit Monaten wird versucht, die Infektionszahlen zu senken, was allerdings nur sehr langsam gelingt. In den vergangenen 24 Stunden sind in Frankreich erneut etwas mehr 21 000 Corona-Neuinfektionen gemeldet worden. Aus diesem Grund gilt im ganzen Land seit einigen Wochen eine strenge Ausgangssperre ab 18 Uhr abends - aber es gibt keine generellen Ausgangsbeschränkungen am Tag. Der Einzelhandel und Schulen haben weitgehend geöffnet. Restaurants, Kultureinrichtungen oder Skilifte sind geschlossen.

In den an die Region Grand-Est angrenzenden deutschen Bundesländern wird die Situation in Frankreich sehr genau beobachtet. Saarlands Ministerpräsident des Saarlandes Tobias Hans (CDU) schließt eine Schließung der Grenzen zu Frankreich oder Luxemburg nicht aus. „Wenn es krasse Unterschiede gibt zwischen den Inzidenzen, dann wird uns nichts anderes übrig bleiben“, sagt er der Sendergruppe RTL/ntv. Allerdings betont er, dass es im Saarland keine „Grenzen mit Schlagbäumen“ mehr gebe. Man könne Pendler nicht einfach ausschließen. Rückendeckung erhält Ministerpräsident Hans von seinem baden-württembergischen Kollegen Winfried Kretschmann (Grüne). Auch der hat bereits von möglichen Grenzkontrollen wie im vergangenen Frühjahr gesprochen.

Diskussion über Grenzschließungen

An solch einem weitreichenden Schritt möchte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer im Moment allerdings noch nicht denken. Sie hat sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie derzeit gegen die Schließung von Grenzen zu den Nachbarländern ausgesprochen. „Wir wollen nicht, dass die Grenzen wieder geschlossen werden, sondern wir wollen gemeinsam managen, dass wir es schaffen, die Pandemie zu bewältigen“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag im „ZDF-Morgenmagazin“. Man sei in engem Austausch mit den Nachbarländern Frankreich, Luxemburg und Belgien und berate sich über das gemeinsame Vorgehen.

Zustände wie während der ersten Welle der Pandemie sollen auf jeden Fall vermieden werden. Damals hatte sich die Stadt Mulhouse im Elsass zu einem Corona-Hotspot entwickelt. Die deutschen Bundesländer an der Grenze reagierten überhastet und reichlich unkoordiniert. So verkündete der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans am Sonntag, den 15. März 2020, dass die Grenze zu Frankreich und Luxemburg am nächsten Morgen geschlossen sei. Ausnahmen gebe es für Pendler. Die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz agierten ähnlich. In den nachfolgenden Tagen wurden die Anordnungen verschärft, bis auf wenige Ausnahmen alle Übergänge verrammelt, Brücken gesperrt.

Aufkeimen alter Vorurteile

Doch nicht nur das verbarrikadierten der Grenzen wurde vor allem von französischer Seite als Affront empfunden. Plötzlich schienen sich alte, längst zugeschüttet geglaubte Gräben wieder zu öffnen. Für Empörung sorgte der saarländische Innenminister Klaus Bouillon mit seiner Aussage: „Grenzschutz ist Menschenschutz.“ Jeder abgewiesene Franzose bedeute ein Stück mehr Sicherheit für die Saarländer. Damit diffamierte der Innenminister die engsten Freunde in Europa kollektiv als gefahrbringende Virenträger – politische Konsequenzen hatte es keine.