Komplett überwältigt: Ke Huy Quan kämpfte jahrelang im Job. Jetzt hat er einen Oscar. Foto: AFP/PATRICK T. FALLON

Von Ke Huy Quan bis Brendan Fraser: Es waren die Oscars der großen Comebacks und inspirierenden Geschichten. Was von diesen Academy Awards in Erinnerung bleiben wird.

Die Oscars sind vergeben – routiniert und ganz ohne Skandale. Niemand rastete während der Verleihung im Dolby Theater in Los Angeles aus. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr, seit im vergangenen Jahr Will Smith auf die Bühne stürmte und Chris Rock einen Kinnhaken verpasste, weil ihm ein Witz über seine Frau Jada nicht passte. Da nahmen sich die 95. Academy Awards geradezu zahm aus. Was von diesen Oscars in Erinnerung bleiben wird...

Der späte Oscar der Jamie Lee Curtis: Seit bald 50 Jahren dreht Jamie Lee Curtis Filme – aber noch nie hat sie dafür einen Academy Award bekommen. Bis jetzt. Die 64-Jährige, die für ihre Rolle als Steuerprüferin in „Everything Everywhere All at Once“ als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde, hielt eine unvergessliche Oscar-Rede: „An alle Menschen, die die Genrefilme unterstützt haben, die ich in all diesen Jahren gemacht habe, an die Tausende, Hunderttausende“, rief die Schauspielerin ins Publikum: „Wir haben gerade zusammen einen Oscar gewonnen!“

Unter Tränen erinnerte Curtis an ihre Eltern, die Hollywood-Legenden Tony Curtis und Janet Leigh, flüsterte mit einem Deut nach oben, als könne sie es selbst nicht richtig glauben: „Ich habe gerade einen Oscar gewonnen.“ Dann knickste sie, warf dem Publikum eine Kusshand zu und ging mit ihrem Goldmann von der Bühne.

Die inspirierende Rede von Ke Huy Quan: Auch Ke Huy Quans Oscar kam nicht von heute auf morgen. Der Amerikaner mit vietnamesischen Wurzeln stand schon als Kind vor der Kamera, spielte 1984 in Spielbergs Abenteuerfilm „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ Harrison Fords Sidekick, den Jungen Shorty. Danach fand er über Jahre keine Rollen mehr.

Völlig überwältigt stand Ke Huy Quan am Sonntagabend auf der Bühne des Dolby Theaters, mit dem Oscar als bester Nebendarsteller in „Everything Everywhere All at Once“ in der Hand: „Meine Mutter ist 84 Jahre alt und sie sitzt zu Hause und schaut zu. Mum, ich habe gerade einen Oscar gewonnen!“ Der Sohn vietnamesischer Einwanderer hielt unter Tränen die vielleicht inspirierendste Rede des Abends: „Mein Weg hierher begann auf einem Boot. Ich habe ein Jahr in einem Flüchtlingslager verbracht – und irgendwie bin ich hier gelandet, auf der größten Bühne Hollywoods. Man sagt, solche Geschichten passieren nur in Filmen – ich kann nicht glauben, dass das mir passiert. Das ist der amerikanische Traum!“ Der 51-Jährige schloss so: „An Träume muss man glauben. Ich hätte meinen beinahe aufgegeben. An alle da draußen: Bitte, haltet eure Träume am Leben!“

Brendan Frasers spektakuläres Comeback: Es waren die Oscars der unerwarteten Comebacks – den Oscar als bester Hauptdarsteller gewann einer, mit dem in Hollywood wohl kaum einer mehr gerechnet hatte: Brendan Fraser. In dem Drama „The Whale“ spielte Fraser einen stark übergewichtigen Lehrer, der versucht, die Beziehung zu seiner entfremdeten Tochter zu kitten. Der 54-Jährige war sichtlich bewegt, als er den Goldmann in Empfang nahm. Der Schauspieler, der um die Jahrtausendwende mit dem Abenteuerfilm „Die Mumie“ zum Star wurde, verschwand in den vergangenen zwei Jahrzehnten von der Bildfläche – auch, weil er nach eigenen Aussagen in Hollywood sexuell belästigt worden war.

„Hopelessly devoted“ – der traurigste Oscar-Moment: Es ist der bittersüße, emotionalste Augenblick eines jedes Oscarabends – der In-Memoriam-Teil, in dem den Menschen der Hollywood-Community gedacht wird, die im vergangenen Jahr gestorben sind. In diesem Jahr wurde das „In Memoriam“ von John Travolta anmoderiert. Der Schauspieler erinnerte mit zitternder Stimme an die „lieben Freunde, denen wir für immer hoffnungslos ergeben („hopelessly devoted“) sind“. Eine Hommage an seine „Grease“-Filmpartnerin Olivia Newton-John, die im vergangenen Sommer nach einem langen Kampf gegen den Brustkrebs starb.

Der böseste Scherz: Eine ganze Oscar-Verleihung, ohne einmal den Kinnhaken in den Mund zu nehmen, der die vergangene Award-Show dominiert hatte? Das ging für den diesjährigen Oscar-Host Jimmy Kimmel offenbar nicht. „Wenn irgendjemand in diesem Theater während der Show eine Gewalttat verübt - dann gewinnt er den Oscar für den besten Hauptdarsteller und darf eine 19-minütige Rede halten“, sagte der Moderator. Der böseste Witz des Abends.