Wer vor einer Krebsoperation steht, sollte sich mehrmals wöchentlich bewegen – so lassen sich Komplikationen nach der OP vermeiden. Foto: dpa/Christin Klose

Jede Krebsoperation birgt Risiken. Doch diese lassen sich mit gezielter Vorsorge minimieren. Die richtige Ernährung und Bewegung vor dem Eingriff können bei vorbelasteten Patienten helfen, Komplikationen zu vermeiden.

Eine Tumoroperation bei Krebspatienten bringt Risiken mit sich. Aber vorbelastet in eine OP zu gehen erhöht wiederum das Risiko für Komplikationen und für ein schlechteres Ergebnis des Eingriffs. So verlieren Patienten bei einem chirurgischen Eingriff Blut. Wenn nun ein Patient schon mit Blutarmut in die OP geht und während des Eingriffs weiter Blut verliert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er eine Bluttransfusion benötigt. Diese schwächt das Immunsystem und erhöht das Risiko, dass der Krebs zurückkehrt. Zudem kommen Patienten mit Blutarmut nach der Operation schwerer wieder auf die Beine. Ähnliches gilt für die Mangelernährung, die bei älteren Menschen verbreitet ist. Ihr Eiweißmangel ist erheblich, was die Wundheilung verschlechtert.

Der Fachbegriff heißt Prähabilitation

Lange Zeit betrachtete man ein erhöhtes Operationsrisiko betagter und vorerkrankter Krebspatienten als Schicksal. Und meist richteten sich die Bemühungen, die Patienten wieder auf die Beine bringen, auf Maßnahmen nach dem Eingriff. Man schickte sie etwa in eine Rehabilitation. Den Patienten hingegen aufwendig auf die OP vorzubereiten stand nicht auf dem Programm. Doch seit Kurzem verfolgen Ärzte genau einen solchen Ansatz, Prähabilitation genannt. Der Begriff bezeichnet die gezielte Vorsorge vor einem chirurgischen Eingriff. Dazu kann ein Fitnessprogramm oder eine Umstellung der Ernährung in den Wochen vor der Operation gehören. So sollen Nebenwirkungen chirurgischer Eingriffe abgemildert werden, und der Patient soll sich schneller erholen.

Die Chemotherapie kann früher beginnen

Doch geht das überhaupt, einen Patienten wochenlang für die OP fit machen? Schließlich tickt die Uhr bei Krebs: Ein Tumor kann weiter wachsen, und er kann Metastasen bilden. „Früher hat man geglaubt, man müsse bei Entdeckung eines Tumors so schnell wie möglich operieren“, sagt Natascha Nüssler, Chefärztin der Allgemein-, Viszeralchirurgie an der München-Klinik Neuperlach. „Heute wissen wir hingegen, dass wir beispielsweise beim Darmkrebs eine OP problemlos vier Wochen hinauszögern können, ohne dass sich die Prognose verschlechtert.“ Durch diese Erkenntnis hat sich ein Zeitfenster geöffnet, in dem Mediziner den Gesundheitszustand des Patienten optimieren können. „Ist ein Patient vor der OP in einem schlechten Zustand, braucht er ewig, sich von dem Eingriff zu erholen und mit einer nachfolgenden Chemotherapie beginnen zu können“, so Nüssler. Bereitet man den Patienten hingegen in den zwei, drei Wochen vor der Operation vor, erholt er sich schneller und bekommt früher eine Chemotherapie. „Der angebliche Zeitverlust wird also am Ende mehr als ausgeglichen.“

Vorsicht vor Mangelernährung

Animieren statt schonen

In der München-Klinik Neuperlach, an der Natascha Nüssler arbeitet, wird jeder Patient mit Krebs anhand eines Fragebogens auf Risikofaktoren wie Mangelernährung gescreent. Ist eine Mangelernährung wahrscheinlich, schaltet Nüssler einen Ernährungsmediziner ein. Er berät den Patienten, was er essen soll. Außerdem sollen die Patienten aufhören zu rauchen und sich körperlich betätigen. Bei gebrechlichen Patienten reiche es mitunter schon, sie zum Treppensteigen zu ermuntern, wenn sie in einem Haus mit Fahrstuhl wohnen. Oder die Patienten sollen zwei-, dreimal in der Woche spazieren gehen, und zwar so, dass sie außer Atem kommen. „Oft denken die Patienten, sie müssten sich schonen, daher muss man sie meist animieren.“

Die Liegedauer verkürzt sich

Es gibt bislang noch nicht viele Studien zur Wirksamkeit einer Prähabilitation bei einem onkologischen Eingriff. Aber die ersten Untersuchungen stimmen optimistisch. In einer schwedischen Studie beispielsweise war die Rate an Komplikationen bei Patienten mit Prähabilitation niedriger als bei Patienten, die nur die übliche Behandlung bekamen. „Was wir bislang wissen: Durch die Prähabilitation verkürzt sich die Liegedauer im Krankenhaus“, sagt Natascha Nüssler. Und eine Behandlung von Blutarmut senke das Risiko für eine Bluttransfusion und verbessere das Ergebnis einer OP.

Die Klinik in München bietet die Prähabilitation an, obwohl die Krankenkassen die Kosten bislang nicht erstatten. Natascha Nüssler: „Das machen wir, weil wir davon ausgehen, dass sich die Kosten bezahlt machen, zum einen für unsere Patienten, zum anderen, weil wir vermutlich nach der Operation Kosten sparen.“

So gelingt die schnelle Erholung

Risikofaktoren
Mangelernährung und Blutarmut bergen bei Patienten mit einer Tumoroperation ein erhöhtes Risiko für einen verlängerten Klinikaufenthalt und für Wundinfektionen. Sie gehen zudem mit einer erhöhten Gesamtsterblichkeit und einer verringerten Lebensqualität einher.

Vorbereitung
Viele Menschen, die sich einer Operation unterziehen müssen, sind mehrfach erkrankt und mitunter in einem schlechten Allgemeinzustand. Eine Prähabilitation soll die Patienten gezielt fit machen für eine Operation. Damit soll das Komplikationsrisiko verringert werden und dafür gesorgt werden, dass sich Patienten nach der Operation möglichst schnell wieder erholen. Zu den Maßnahmen zählen die Ernährungstherapie, aber auch Bewegungs-, Sport- und Physiotherapie.