Vor der „Dürrbachklause“ sollen Modulbauten für Flüchtlinge gebaut werden. Das stößt nicht auf ungeteilte Freude. Foto: /Leif Piechowski

Der Fall Hedelfingen zeigt: Die Bürger müssten frühzeitig informiert werden, andernfalls drohe vor Ort Hysterie, meint StZN-Autor Jörg Nauke.

Die steigende Zahl an Flüchtlingen aus der Ukraine ist für die Stadt Stuttgart eine Herausforderung. Mehr als 8000 Personen baten bereits um Hilfe, weitere 4000 aus der Ukraine sind noch privat versorgt. Die Betonung liegt auf noch, die Versorgung ist und bleibt aber eine humanitäre und rechtliche Verpflichtung. Den „Stuttgarter Weg“ zu beschreiten heißt, kleine Unterkünfte über alle Bezirke zu verteilen. Das kann vor Ort nicht ohne Auswirkung bleiben. Die Bürger rechtzeitig zu informieren, ihre Bedenken ernst zu nehmen ist mindestens so wichtig, wie in der Taskforce die logistischen Voraussetzungen zu schaffen. Für die Rathausspitze und den Gemeinderat ist bei allem Verständnis für artikulierte Bedenken aber unabdingbar, klare Kante zu zeigen, wenn fremdenfeindliche Ressentiments geschürt werden.

Falschmeldungen verselbständigen sich

Versäumt man es, Anwohner – und im Falle Hedelfingen auch die Mitglieder des Sportvereins – von Anfang an mitzunehmen, muss man sich nicht wundern, dass Falschmeldungen ins Kraut schießen. Dass diese in eine Petition münden, in der nicht nur Protest gegen den Verlust von Sportanlagen artikuliert wird, sondern offen gegen Flüchtlinge gehetzt wird, kann nicht überraschen.

Richtig wäre gewesen, die Bürger vor Ort über die Absichten und den Umfang des Modellprojekts zu informieren, bevor die Ratsvorlage durch die Ausschüsse wandert, wo sie, weil alternativlos, abgenickt wird. Der Hinweis auf die nächste Bezirksbeiratssitzung unterstreicht die Fehleinschätzung: die Tagesordnung hat zehn Punkte; und der formale Rahmen verhindert eine Debatte.

Rathausspitze kommentiert Hassbotschaften nicht

Fremdenfeindliche Äußerungen, ob in Internetforen oder in einem Ausschuss, würden nicht kommentiert, weil sie nicht „Teil des politischen Diskurses“ seien, erklärt die Rathausspitze. Noch so ein schwerer Fehler. OB Fritz Kuhn (Grüne) hatte den Rechten im Gemeinderat und außerhalb deutlich die Grenzen aufgezeigt. Wenigstens scheint die Verwaltung eingesehen zu haben, dass man Ehrenamtliche wie den Vereinsvorsitzenden Ulrich Strobel, dem stellvertretend für die Verwaltung mit dem Abfackeln seines Hauses gedroht wurde, den Kampf gegen Hass und Hetze vor Ort nicht alleine führen lassen sollte. OB Frank Nopper (CDU) kommt zwar leider nicht selbst, aber wenigstens schickt er die zweite Garde in die Sitzung.