Der Radschnellweg zwischen Bad Cannstatt und Fellbach wurde im Herbst 2021 provisorisch eingerichtet. Foto: LHS/LHS

Der Radschnellweg an der Nürnberger Straße war hoch umstritten. Daten zeigen, ob er von den Radfahrern überhaupt angenommen wird – und dass zumindest bis vergangenes Jahr Schleichwege beliebt waren.

Der Radschnellweg zwischen Bad Cannstatt und Fellbach kostet Autofahrer eine Spur und soll im Gegenzug den Radverkehr attraktiver machen. Wird er überhaupt genutzt?

Ja, sagt die Stadtverwaltung. Es lägen „aktuelle Daten aus verschiedenen Quellen“ vor, darunter die Tracking-App Strava. Mit ihr können Radfahrer die gefahrenen Routen aufzeichnen; Strava vermarktet diese Daten dann etwa an Verwaltungen, die sie für ihre Verkehrsplanung nutzen können. Details nannte der Sprecher Oliver Hillinger nicht.

Daten zeigen: Schleichwege sind beliebt

Anlass der Anfrage an die Stadt waren Daten von Bikecitizens. Das österreichische Unternehmen sammelt über seine Radrouten-App ähnlich wie Strava Daten, die sich dann zum Beispiel in Kartenform nutzen lassen. Über eine Kooperation stellte Bikecitizens unserer Zeitung diese Daten zur Verfügung. Sie zeigen, dass zumindest bis vor Kurzem die parallel zur Nürnberger Straße verlaufenden Routen wesentlich beliebter sind als die Hauptstraße selbst.

Konkret: zwischen 2015 und Frühjahr 2022 wurde die Straße Espan in beide Richtungen von je rund 200 Radlern befahren. In der Endersbacher Straße waren 63 Radler stadtauswärts und 93 stadteinwärts unterwegs – auf der Nürnberger Straße, wo schon vor dem Radschnellweg ein Radstreifen eingezeichnet war, zählte Bikecitizens nur je knapp 60 Radler stadtein- und -auswärts. Daten gibt es auch von der Aktion Stadtradeln aus dem Jahr 2020, bei der Radler mit einer App Fahrtverläufe aufzeichnen konnten. Damals wurden auf der Nürnberger Straße in beide Richtungen etwas mehr Radler gezählt als auf den Parallelstraßen zusammen.

Angebot und Nachfrage

Die Kritik an den Plänen zum Ausbau der Radinfrastruktur bezog sich vielfach darauf, dass entlang der Nürnberger Straße kaum Radfahrer zu sehen seien – und man für diese wenigen Radler nun auch noch eine Fahrspur freiräume. Im Verständnis der Kritiker sollte Planung also auf eine Nachfrage reagieren. Bei den Rad- und Fußwegen wird im Gegensatz dazu eine Angebotsplanung verfolgt, betont Susanne Scherz, die Abteilungsleiterin Straßenverkehr im Amt für öffentliche Ordnung: „Es werden Angebote geschaffen, um eine Nachfrage zu wecken.“

Eine Nachfrage gibt es für die Verbindung zwischen Bad Cannstatt und Fellbach offensichtlich schon. Die Frage ist, wie man die Radler dazu bringt, den Radschnellweg zu nutzen. Susanne Scherz betont, dass ein Radweg nicht isoliert betrachtet werden könne: „Die Wirkung der Achse entfaltet sich mit dem Ausbau bzw. der Vervollständigung des Netzes.“ Sie denke an die Weiterführung des Wegs und die „noch bestehenden Engstellen wie am Wilhelmsplatz“.

„Da ist immer noch der Wilhelmsplatz im Weg“

So sieht es auch Thijs Lucas vom Radforum Zweirat. „Der Radweg ist jetzt deutlich besser und wird sicher nicht nur die Hartgesottenen anziehen. Richtung Fellbach ist aber immer noch der sehr radunfreundliche Wilhelmsplatz im Weg“, findet er. Um den zu umgehen, wählten Radler weiterhin gerne Ausweichrouten – wie sie es mangels geeigneter Radwege in Stuttgart „eigentlich schon immer tun mussten“. Deshalb nehme man häufig nicht den schnellsten Weg, sondern den entspannteren. Bei der Radinfrastruktur müsse man stets auch die Schwächeren und Ängstlicheren denken, außerdem an Kinder.

Mit dem Radschnellweg allein ist es also nicht getan, sagen Verwaltung und Radfahrer. Wenig überraschend ist Thijs Lucas gegen Fahrverbote auf den häufig genutzten Parallelstraßen zur Nürnberger Straße. „Man muss einfach ein gutes Angebot machen, beim Radentscheid haben wir dafür Standards definiert“. Das würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass nach einer Autospur auch noch etliche Parkplätze wegfallen.

Im Herbst wurde der Radweg zunächst provisorisch mit durchgezogener Linie eingerichtet. Wenn der Sommer vorbei ist, wird der neuerliche Blick in die Daten zeigen, wie viel Nachfrage das Angebot erzeugt hat.