Die Stadt Marbach würde notfalls in einer Sporthalle eine Anlaufstelle zum Aufwärmen schaffen. Foto: Ralf Poller

Wenn Russland den Gashahn zudreht, dürfte es ungemütlich werden. Doch die Städte wappnen sich. Unter anderem Bäderschließungen könnten dann ein Thema werden.

Den dicken Pulli auch im Wohnzimmer anlassen und die Heizung auf das Mindestmaß runterdrehen: Was vor wenigen Monaten nach einer Dystopie geklungen hätte, könnte bald schon bittere Realität sein. „Wenn die Gaspipeline Nord Stream I nach der in Kürze anstehenden 14-tägigen Wartung nicht mehr in Betrieb gehen sollte, wird es drastische Auswirkungen auf unser bisher gekanntes Leben über die Wintermonate geben“, vermutet der Marbacher Bürgermeister Jan Trost. Und diese Meinung hat er nicht exklusiv. Auch Vizekanzler Robert Habeck und der Präsident der Bundesnetzagentur schwören wegen der drohenden Engpässe bei der Gasversorgung auf entbehrungsreiche Zeiten ein – die unter anderem den Verzicht auf lieb gewordene Angebote beinhalten könnten.

Kinder und Jugendliche im Blick

Falls die Bundesregierung die Notfallstufe ausruft, werde man rasch über die Schließung von Freizeiteinrichtungen entscheiden, berichtet Meike Wätjen, Pressesprecherin der Stadt Ludwigsburg. Aktuell müsse man bei den Bädern und Sporthallen aber noch nicht die Reißleine ziehen, versichert sie. Und selbst wenn es so weit kommen sollte, sei es nötig, je nach Energieverbrauch zu priorisieren. Schließlich werde angestrebt, Kindern und Jugendlichen so lange wie möglich Flächen zum Sporttreiben anzubieten.

Im Hallenbad könnten die Lichter ausgehen

Das würde der Marbacher Rathauschef gewiss unterstreichen, der aber auch verdeutlicht: Dreht Russland den Gashahn zu, werde dies „unweigerlich auch zu einer deutlichen Komfortreduzierung oder gar Schließung von Einrichtungen führen können, die nicht Pflichtaufgabe einer Gemeinde sind“. Beispielsweise müsste politisch diskutiert werden, ob im Hallenbad die Lichter ausbleiben sollten. Würden mehrere Kommunen das präventiv so handhaben, lasse sich durchaus etwas gewinnen.

Anlaufstelle für Frierende

Im Marbacher Rathaus hat man gedanklich überdies das wohl allerschlimmste Szenario in der Energiekrise durchgespielt: dass Bürger bibbernd zu Hause sitzen müssen, weil sie nicht mehr heizen können. Für diesen Fall plant die Stadt, im Winter eine Wärmehalle einzurichten. Das sei als eine Anlaufstelle für ein paar Stunden zu verstehen, in der sich Betroffene aufwärmen können, erklärt Jan Trost. „Dabei kommt uns zugute, dass wir im Rahmen des Krieges bereits Ausstattungen für eine Halle bestellt und gelagert haben“, erklärt er. Man könnte also Feldbetten aufstellen, damit niemand auf dem Boden ausharren muss. Umfunktionieren würde die Stadt für diesen Zweck eine Sporthalle auf dem Schulcampus, auf dem ein „erheblicher Teil der Wärme“ von einer zentralen Holzhackschnitzelanlage erzeugt werde.

Über das Homeoffice Energie sparen

Im Konzept der Stadt Kornwestheim taucht dieses Mittel aktuell nicht auf. Man setze aber „sowohl bei der Wärmeenergie als auch im Stromverbrauch kontinuierlich Energie-Einsparmaßnahmen, insbesondere durch Anlagen- und Regelungsoptimierung, um“, betont Pressesprecherin Sandra Hennig. „Für die kommende Heizperiode werden Temperaturabsenkungen im Zusammenhang mit der sich ändernden Arbeitssituation, beispielsweise durch Teilverlagerungen ins Homeoffice, geprüft. Ebenso werden die Nacht- beziehungsweise Wochenendabsenkungen sowie die Absenkungen an Brückentagen auf weiteres Optimierungspotenzial überprüft“, kündigt sie an.

Kälteres Wasser

Ferner wurden in den Bädern der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim (SWLB) aufgrund der angespannten Lage bereits die Wassertemperaturen der Becken im Freibad sowie in allen Hallenbädern um ein Grad reduziert, die Temperaturen der Außenbecken im Ludwigsburger Stadionbad und dem Hohenecker Heilbad sogar um zwei Grad. Unbedingt vermeiden will man in Kornwestheim, bei den Sporthallen den Schlüssel rumzudrehen. „Das Sportleben und somit auch das Vereinsleben sind stark von dem Betrieb sämtlicher Sportstätten abhängig. Die Lehrpläne und die Schulpflicht bedingen zudem den Schulsport“, erklärt Hennig. Sollte sich aber die Energiekrise verschärfen, wolle man gegebenenfalls die Raumtemperatur senken oder Duschverbote verhängen. In Ludwigsburg würde im Extremfall auch über das Schließen städtischer Gebäude diskutiert.

Duschverbote sind möglich

Finger weg vom Wäschetrockner

Die Vertreter der Kommunen machen allerdings klar, dass auch die Bürger ihren Teil dazu beitragen können, die Krise zu überstehen. „Es kommt auf jeden Einzelnen an“, betont Meike Wätjen. Man könne kürzer duschen, die Heizung niedriger stellen, den Wäschetrockner ausgeschaltet lassen oder den Computer nach Gebrauch sofort ausschalten, erklärt die Ludwigsburger Pressesprecherin. Ihr Chef, Oberbürgermeister Matthias Knecht, betont zudem: „Es ist als Kommune weniger eine Frage des Könnens als eine des Müssens: Es ist unsere Aufgabe als Stadt, die Aufgaben, die uns allen ab Herbst bevorstehen, offen und ehrlich zu kommunizieren und dabei die Mithilfe des Einzelnen einzufordern.“

Was im Landkreis passiert, wenn das Gas ausgeht

Bredouille
Sollte je der Wechsel von der aktuellen Alarm-in die Notfallstufe ausgerufen werden, würde zunächst die Gasversorgung bei Großverbrauchern abgeschaltet oder rationiert und dann erst bei Privathaushalten. Das Landratsamt Ludwigsburg weist jedoch darauf hin, dass Bürger trotzdem in die Bredouille geraten könnten, weil sie sich den Gasbezug schlicht nicht mehr leisten können.

Hallen
Um eine Unterkühlung zu verhindern, würden in solchen Extremlagen in Abstimmung mit den Kommunen „Verweil- und Unterbringungsmöglichkeiten“ geschaffen. Das Krisenkonzept sieht beheizte Hallen oder Bürgerzentren vor, in denen Tee ausgeschenkt oder Suppenküchen betrieben werden. Ferner könnten in den kreiseigenen Hallen Übernachtungsmöglichkeiten eingerichtet werden. In den Leuchttürme Kommunen würde nach weiteren geeigneten Einrichtungen gesucht.