In dieser Kugel speichern die Stadtwerke Tübingen ihr Gas. (Archivbild) Foto: IMAGO/ULMER Pressebildagentur/IMAGO/Ulmer

Weil die Wartung zentraler Bestandteile nur langsam vorankomme, könnten die Gaslieferungen an Europa weiter reduziert werden. Die Andeutungen des russischen Präsidenten sorgen für Unbehagen in Deutschland.

Einen Tag vor dem planmäßigen Ende der Nord-Stream-1-Wartung hat Russlands Präsident Wladimir Putin Zweifel am Umfang künftiger Lieferungen durch die Gas-Pipeline geschürt. Die Kapazitäten könnten weiter reduziert werden, weil die Wartung bestimmter Bestandteile nur langsam vorankomme, sagte Putin am Mittwoch.

Gazprom hatte die Kapazität bereits vor der am 11. Juli begonnenen und auf zehn Tage ausgelegten Pause auf 40 Prozent gedrosselt und dies auf die Wartung einer Turbine zurückgeführt. Die EU-Kommission bereitet sich auch auf einen vollständigen Lieferstopp vor. Sie will am Mittwoch offiziell ihre Pläne veröffentlichen, wie die EU-Staaten die Gasnachfrage reduzieren und damit die Gefahr eines Gasmangels im Winter senken können.

Putin deutete an, dass seiner Meinung nach die Verantwortung für reduzierte Kapazitäten nicht beim russischen Staatskonzern Gazprom liege. Es gebe bei Nord Stream 1 fünf von Siemens Energy betriebene Pumpmodule, sagte Putin nach seinem Besuch im Iran vor Journalisten. Eine weitere Einheit sei außer Betrieb, weil die Innenauskleidung bröckele. „Es gibt dort zwei funktionierende Maschinen, sie pumpen 60 Millionen Kubikmeter pro Tag... Wenn eine nicht zurückkommt, gibt es eine, das macht 30 Millionen Kubikmeter. Hat Gazprom damit zu etwas tun?“ Der Konzern sei auch nicht für die Reduzierung von Transitkapazitäten durch die Ukraine verantwortlich und bereit, seine Exportverpflichtungen zu erfüllen.

Die Pipeline Nord Stream 1 - die wichtigste Gasleitung von Russland nach Deutschland - wurde 2011 in Betrieb genommen und hat eine Kapazität von rund 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Seit Juni hat Russlands staatlicher Energieriese Gazprom die Gaslieferungen nach Deutschland allerdings um mehr als die Hälfte der täglichen Höchstmenge auf 67 Millionen Kubikmeter reduziert. Begründet wurde dies mit der fehlenden Turbine von Siemens Energy. Derzeit ist die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline zudem wegen alljährlicher Wartungsarbeiten völlig stillgelegt - planmäßig bis Donnerstag. Die mögliche neuerliche Drosselung begründete Putin mit einem weiteren Aggregat, das reparaturbedürftig sei.

Bundesregierung zweifelt russische Erklärung an

Am Dienstag hatten zwei mit den Plänen für den russischen Gas-Export vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, Russland wolle seine Gas-Lieferungen über Nord Stream 1 am Donnerstag wieder aufnehmen - wenn auch in reduziertem Umfang. Gazprom und die Betreiber der Pipeline wollten sich zunächst nicht äußern. Die bereits vor Beginn der Nord-Stream-1-Wartung erfolgte Reduzierung der Durchflussmenge hatte Russland mit der verspäteten Rückgabe von in Kanada gewarteten Anlagen begründet. Die Bundesregierung hatte technische Gründe als vorgeschoben bezeichnet.

Die EU-Kommission bereitet sich nach eigenen Angaben auf alle Szenarien vor, auch auf ein vollständiges Ausbleiben der Lieferungen nach der Wartung. Einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurf für den Notfallplan zufolge dringt sie auf außergewöhnliche und schnelle Maßnahmen zum Einsparen von Gas.