Der neue Chef der Übergangsregierung in Bangladesch, Nobelpreisträger Muhammad Yunus, hat bei der Rückkehr in sein Heimatland die Wiederherstellung von Recht und Ordnung zur Priorität erklärt. Der 84-Jährige wurde am Abend vereidigt werden.
Der neue Chef einer Übergangsregierung in Bangladesch, Nobelpreisträger Muhammad Yunus, hat bei der Rückkehr in sein Heimatland die Wiederherstellung von Recht und Ordnung zur wichtigsten Aufgabe erklärt. „Wir können keinen Schritt nach vorne machen, wenn die Situation von Recht und Ordnung nicht wiederhergestellt ist“, sagte Yunus am Donnerstag bei seiner Ankunft am Flughafen in Dhaka. Der 84-Jährige wurde am Abend als Chef der vom Militär eingesetzten Interimsregierung vereidigt.
„Heute ist ein ruhmreicher Tag für uns“, sagte Yunus vor Journalisten. Bangladesch habe einen „neuen Tag des Siegs“ erlebt und eine „zweite Unabhängigkeit“ erhalten. Weiter rief der Nobelpreisträger die Menschen dazu auf, Vertrauen in ihn zu haben und ihre Gewalt gegen „jeden, überall im Land“ einzustellen. Bei der Vereidigungszeremonie am Abend kündigte Yunus an, er werde die Verfassung „wahren, unterstützen und schützen“ und seine Aufgaben mit Ernsthaftigkeit erfüllen.
Yunus, der sich im Ausland aufhielt, war am Dienstag nach wochenlangen Massenprotesten mit mindestens 455 Toten und der Flucht von Regierungschefin Scheich Hasina als Chef einer Übergangsregierung nominiert worden.
Mit Mikrokrediten Millionen von Menschen aus der Armut geholfen
Der Wirtschaftswissenschaftler hatte in den 1980er Jahren mit der Vergabe von Mikrokrediten Millionen von Menschen in dem südasiatischen Land aus der Armut geholfen. 2006 wurde ihm dafür der Friedensnobelpreis verliehen.
Armeechef Waker-Uz-Zaman sagte in einer Fernsehansprache, er sei sicher, dass Yunus in der Lage sei, „uns durch einen schönen demokratischen Prozess zu führen“. Bislang sind wenige Einzelheiten über die geplante Regierung bekannt, auch die Rolle des Militärs ist noch unklar. Yunus kündigte an, „innerhalb weniger Monate“ Wahlen abhalten zu wollen.
Er hoffe, dass nun eine nationale Regierung mit der Zustimmung aller gebildet werde, sagte Moynul Islam Pintu, der eine Kundgebung der ehemaligen Oppositionspartei BNP besuchte. „Ich erwarte, dass das Land auf freundliche Art und Weise regiert wird und dass die Polizei reformiert wird, damit sie die Menschen nicht schikanieren kann.“
Die 76-jährige Hasina hatte 15 Jahre die Macht in Bangladesch inne. Ihrer Regierung wurden Menschenrechtsverletzungen bis hin zur unrechtmäßigen Inhaftierung und Tötung Oppositioneller vorgeworfen.
Studentenproteste gegen Quotenregelung für die Vergabe von Jobs
Auch gegen Yunus wurden während ihrer Amtszeit mehr als hundert Strafverfahren angestrengt. Nur einmal kam es jedoch zur Verurteilung, die laut seinem Anwalt allerdings unmittelbar vor Yunus’ Rückkehr nach Bangladesch aufgehoben wurde.
Die jüngsten Studentenproteste hatten sich zunächst gegen eine Quotenregelung für die Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst gerichtet, waren dann aber in Forderungen nach einem Rücktritt der Regierungschefin gemündet. Allein am vergangenen Montag waren bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften 122 Menschen getötet worden.
Wie der indische Grenzschutz mitteilte, versuchten nach der Flucht Hasinas zahlreiche Hindus, die als Unterstützer der ehemaligen Regierungschefin gelten, in das Nachbarland zu gelangen. Mehrere hundert Menschen hätten sich an verschiedenen Punkten an der Grenze versammelt, hieß es. Im Zuge der Proteste waren mehrere Geschäfte und Wohnhäuser der hinduistischen Minderheit in Bangladesch angegriffen worden.
Bei seiner Ankunft in Dhaka versuchte Yunus, auch in diesem Konflikt zu beschwichtigen: „Jeder Mensch ist unser Bruder“, der beschützt werden müsse, sagte er. Er nannte Bangladesch „eine große Familie“.