EZB-Präsidentin Lagarde hält den Preisauftrieb für vorübergehend. Foto: dpa/Boris Roessler

In Deutschland springt die Teuerungsrate auf 4,5 Prozent. Die Europäische Zentralbank hält dennoch an ihrer Nullzinspolitik fest.

Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) will gegen den Anstieg der Inflationsraten in Deutschland und Europa vorerst nicht einschreiten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte, bei dem erhöhten Preisauftrieb handele es sich um ein vorübergehendes Problem: „Wir erwarten, dass die Inflation bis zum Jahresende weiter zulegt, aber im nächsten Jahr wieder zurückgeht.“ In Deutschland kletterte die Teuerungsrate im Oktober laut einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamts auf 4,5 Prozent. Im Euroraum lag sie zuletzt bei 3,6 Prozent.

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Spekulationen, die EZB werde Ende nächsten Jahres ihren Leitzins erhöhen, wies Lagarde zurück. Nach den hauseigenen Analysen gebe es keinen Anlass zu der Annahme, dass die Bedingungen für eine Zinswende zu diesem Zeitpunkt gegeben sein würden, sagte die Französin. Die Notenbank hat sich darauf festgelegt, dass die Inflationsrate im Euroraum über einen längeren Zeitraum bei mindestens zwei Prozent bleiben müsste, ehe sie ihren Leitzins erhöht. Obwohl die Teuerungsrate aktuell weit darüber liegt, erwartet die EZB für 2022 einen Rückgang auf weniger als zwei Prozent.

EZB sieht Euroraum-Inflationsrate 2022 unter zwei Prozent

Zur Begründung erklärte Lagarde, Preistreiber wie die derzeit von zahlreichen Branchen beklagten Lieferengpässe und die Probleme beispielsweise auf dem Gasmarkt seien vorübergehender Natur. Sie erwiesen sich zwar als hartnäckiger als von der EZB erwartet, aber: „Sie werden im Laufe des Jahres 2022 abflauen.“

Notfallprogramm PEPP soll nicht verlängert werden

Der Leitzins der EZB liegt seit Jahren bei null, zudem hat die Notenbank mit dem Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren Billionen in die Märkte gepumpt. Allein das im Kampf gegen die Coronakrise aufgelegte Notfallprogramm PEPP hat eine Größenordnung von 1,85 Billionen Euro. Dieses Programm soll Ende März auslaufen – eine Verlängerung sei nicht geplant, erklärte Lagarde. Neben PEPP gibt es allerdings noch ein weiteres Kaufprogramm, das APP. Der EZB-Rat bekräftigte am Donnerstag, dieses Programm so lange fortzusetzen, wie es ihm nötig erscheine, die Wirkung der niedrigen Leitzinsen zu verstärken.

Auf die Lohnentwicklung kommt es an

Eine Neubewertung der Lage wäre erforderlich, falls Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale auftreten sollten, sagte Lagarde. „Wir werden die Lohnentwicklung sehr genau beobachten.“ Auf Basis der bislang vorliegenden Daten sehe die EZB aber keinen Grund zu der Annahme, dass die Lohnsteigerungen eine weitere Runde an Preiserhöhungen auslösen würden.

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Vor einer solchen Entwicklung warnte dagegen der Vorstandsvorsitzende der LBBW, Rainer Neske. „Es ist akzeptiert, dass man deutlich höhere Lohnabschlüsse braucht, weil die Preise, nicht nur in der Energie, auch in der Miete, auch im täglichen Leben deutlich angezogen haben“, sagte Neske am Mittwochabend im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Dies sei in den Branchen zu sehen, die derzeit in Verhandlungen stünden. Daraus könnte ein Kreislauf entstehen, der „schwer zu bändigen“ wäre, sagte Neske.

Deutsche Marktteilnehmer fordern Zinswende

In einer von der Universität Frankfurt veröffentlichten Umfrage unter deutschen Finanzinstituten äußerten mehr als 70 Prozent der Befragten die Befürchtung, dass sich die Inflationsrate 2022 nicht normalisieren werde. Knapp 90 Prozent sprachen sich für eine baldige Erhöhung der Leitzinsen aus. „Die Forderung nach einem Ende der expansiven Geldpolitik wird von einer überwältigenden Mehrheit der Marktteilnehmer geteilt“, resümierte Professor Volker Brühl vom Center for Financial Studies der Universität Frankfurt.

Lagarde betonte, die EZB sei sich darüber im Klaren, dass die Inflation den Bürgern Sorgen bereite. Der EZB-Rat habe sich ausführlich damit befasst: „Wir haben über Inflation, Inflation, Inflation gesprochen.“ Die Notenbanker seien aber überzeugt, „dass unsere Prognosen und Einschätzungen korrekt sind“. Sie glaube auch nicht, dass die Diskussionen im EZB-Rat der Grund für die Rücktrittsankündigung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann seien.