Die einen sagen, Milch macht dick und löst Krankheiten aus. Die anderen schwören, Milch sei gut für gesunde Knochen. Ein Blick auf aktuelle Studien rund um die weiße Flüssigkeit.
Es gab Zeiten, da war der Ruf der Milch makellos. So versprach schon die Bibel „das Land, in dem Milch und Honig fließen“, und später hieß es, dass sie „müde Männer munter macht“ oder auch einfach nur: „Die Milch macht’s.“ Doch derzeit gibt es Imageprobleme. Denn nicht nur, dass sie zu Allergien und Unverträglichkeiten führen kann. Die Milch soll auch hinter einigen schweren Krankheiten stecken.
Milchverzehr und Übergewicht – heikles Thema
So lautet einer der Hauptvorwürfe, dass sie dick machen würde. Eine aktuelle Studie aus Griechenland, durchgeführt an rund 1700 Kindern im Alter von zehn bis zwölf Jahren, ergab jedoch eine Senkung des Übergewichtsrisikos von mehr als 30 Prozent für diejenigen, die täglich Milch getrunken haben. „Das deckt sich mit der bisherigen Studienlage, wonach zwischen dem Milchverzehr und Übergewicht ein gegensätzlicher Zusammenhang besteht“, betont Studienleiter Demosthenes Panagiotakos von der Harokopio-Universität in Athen. Vorausgesetzt, das Kuhprodukt wird pur getrunken. Denn bei Kakaomilch geht das Risiko um etwa 15 Prozent nach oben.
Bleibt die Frage, warum Milch eher schlank als dick macht. Panagiotakos, der auch an der Universität im australischen Canberra zur Ernährung forscht, nennt als Erklärung ihren hohen Kalziumwert, der die Fettaufnahme im Darm hemmt, und ihre Eiweiße, die den Appetit bremsen und die – Kalorien verbrauchende – Wärmeproduktion im Körper anregen. Vor etwa 20 Jahren entdeckte man in der Milch aber auch eine Substanz namens Nicotinamid-Ribosid, die offenbar den Fettstoffwechsel ankurbelt. An der Ècole Polytechnique Fédérale in Lausanne entwickelten Mäuse unter einer extrem fetthaltigen Diät keinerlei Tendenzen zum Übergewicht, wenn man ihnen gleichzeitig den Milchinhaltsstoff ins Futter mischte.
Jedenfalls ist Milch kein Diätdrink
Gleichwohl sollte man Milch nicht unbedingt als Diätdrink betrachten. „Denn sie dient nicht vorrangig der Zufuhr von Flüssigkeit“, betont Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Milch sei vielmehr ein Lieferant wichtiger Nährstoffe, weswegen man sie auch in den gängigen Lebensmittelpyramiden unter der Rubrik „Tierische Lebensmittel“ findet. Besser also, man ordnet sie nicht in die Getränkekategorie ein. Denn dies provoziert den schwerwiegenden Denkfehler, dass man Milch wie Mineralwasser und Tee als kalorienarm einschätzt, obwohl sie doch – je nach Fettgehalt – immerhin 50 bis 70 Kilokalorien auf 100 Milliliter enthält. Und dadurch können am Ende doch mehr Kalorien zusammenkommen als gedacht.
Ob die Knochen besser werden?
Hartnäckig hält sich die Vorstellung, wonach nicht nur Kinder, sondern auch ältere Frauen mehr Milchprodukte verzehren sollten, um sich vor der Osteoporose in den Wechseljahren zu schützen. Als Erklärung werden die angeblich knochenstärkenden Kalzium- und Vitamin-D-Werte genannt. Doch US-Forscher fanden bei 3300 Frauen im klimakterischen Alter keine Hinweise auf eine bessere Knochendichte von Milchtrinkerinnen. „Auch mit Blick auf die Zahl der Knochenbrüche war im Verhältnis zu den Frauen ohne Milchkonsum kein Unterschied zu erkennen“, berichtet Studienleiter Taylor Wallace von der George Mason University in Washington. Bei üblichem Verzehr scheint Milch also in puncto Knochenstabilität schlichtweg vernachlässigbar zu sein.
Neu erforscht: die Wirkung der Linolsäuren
Dafür gibt es wasserdichte Hinweise darauf, dass Milch die Blutfettwerte positiv beeinflusst, den Blutdruck senkt und vor Asthma schützt. Hauptverantwortlich dafür ist vermutlich ihr besonderes Fettsäureprofil. So setzen, wie Gerhard Jahreis von der Universität Jena erklärt, bestimmte Linolsäuren der Milch die Entzündungsreaktionen in den Atemwegen herab. Dies könnte asthmakranken Kindern helfen. Damit dieser Effekt jedoch wirklich zum Tragen kommt, sollten die Kühe auf offener Weide gestanden haben. Denn aus Fertigfutter ohne Frischpflanzenanteil könnten sie, wie Ernährungswissenschaftler Jahreis betont, „kaum die richtigen Linolsäuren bilden“.
Wissenschaftler der Johns Hopkins University School in Baltimore entdeckten, dass Rauchern mit chronischer Bronchitis schon ein Glas Milch pro Tag reicht, um ihre Atemnot- und Hustenprobleme zu lindern. Möglich, dass auch dieser Effekt mit den Linolsäuren zusammenhängt. Trotzdem sollte ein Raucher nicht hoffen, dass Milch auch sein Krebsrisiko senken könnte. Dies gilt laut aktueller Studienlage zwar für Darmkrebs. Doch wenn bei Tumoren Hormone ins Spiel kommen, kann sich das Blatt wenden. So ermittelte ein internationales Forscherteam ein erhöhtes Brustkrebsrisiko für chinesische Frauen, die rund 80 Gramm Milchprodukte pro Tag verzehren. Und an der Loma Linda University in Los Angeles zeigten Männer, die mehr als zwei Tassen pro Tag konsumierten, ein 25 Prozent höheres Risiko für Prostatakrebs als Männer, die nur gut 20 Milliliter pro Tag (das entspricht nicht einmal einer Tasse pro Woche) verzehrten. Dabei spielte es kaum eine Rolle, ob Voll- oder Magermilch getrunken wurde.
Hormonelle Ursachen: durch schwangere Kühe?
Dahinter könnten hormonelle Ursachen stecken. Damit Kühe Milch geben, müssen sie regelmäßig schwanger sein, dadurch geben sie ihre spezifischen Sexualhormone ab. Und das könnte das Wachstum von hormonabhängigen Tumoren wie Brust- und Prostatakrebs anregen.
Allerdings sollte nun hierzulande weder Mann noch Frau in Panik verfallen. Denn chinesische Verdauungstrakte sind den Umgang mit Milch nicht so gewohnt wie die europäischen – und welcher Mann trinkt schon mehr als zwei Tassen Milch pro Tag? Es ist, wie so oft: Die Dosis macht das Gift.
So wird Milch haltbar gemacht
Pasteurisation
Pasteurisierte Frischmilch wird für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 Grad erhitzt. Die Milch ist danach nicht komplett keimfrei, im Kühlschrank hält sie sich ungeöffnet sechs bis zehn Tage.
H-Milch
Wird für einige Sekunden bis auf über 140 Grad erhitzt und danach homogenisiert (ihre Fettteilchen werden verkleinert). Danach sind praktisch alle Keime verschwunden, allerdings auch etwa ein Fünftel der Vitamine. Ungeöffnete H-Milch hält sich mehrere Monate.
ESL
Extended shelf life-Milch ist seit 2003 im Handel. Die Milch wird für zwei Sekunden auf 127 Grad „schockerhitzt“, dann noch einige Sekunden auf 90 Grad gehalten und schließlich auf Lagertemperatur gekühlt. Ungeöffnet hält sie sich im Kühlschrank etwa 20 Tage. Allen drei Milchtypen ist gemeinsam, dass sie nach dem Öffnen nur noch wenige Tage haltbar sind.