Offene, kreative Teamarbeit etwa nach der sogenannten Design-Thinking-Methode hat sich in vielen Unternehmen in den vergangen Jahren etabliert. Foto: Unsplash//Amélie Mourichon

Der Schutz der Daten hat für Unternehmen oberste Priorität. Trotzdem ermuntern Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und der Ex-Schwimmer und Unternehmensberater Michael Groß die Firmen zu mehr Offenheit. Sicherheitsbedenken dürften dem nicht im Weg stehen.

Offenheit und Sicherheit? Wie passen diese vermeintlichen Widersprüche zusammen? Der Schutz des eigenen Wissens, der oft hochspeziellen Patente und Daten, sind gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württemberg lange Zeit Argumente gewesen, um der offenen Innovationskultur, wie sie in der digitalen Welt schon immer selbstverständlich war, eher reserviert gegenüber zu stehen. Und Sicherheit hat zurzeit auf vielen Feldern vom Schutz der Daten bis zu stabilen Lieferketten wieder höchste Priorität.

Offene Innovation liegt im Trend

In dieser Woche hat der sechste Open Innovation Kongress Baden-Württemberg 2022 in Stuttgart die Wirtschaft im Südwesten mit zahlreichen konkreten Fallbeispielen zu ermuntern versucht, mehr Kooperation und mehr offenen Austausch von Wissen und Daten zu wagen.

Am Rande der Veranstaltung haben der ehemalige Leistungsschwimmer Michael Groß, inzwischen Unternehmensberater, sowie die Wirtschaftsministerin des Landes, Nicole Hoffmeister-Kraut, im Gespräch mit unserer Zeitung darüber reflektiert, warum gerade die aktuelle Phase der Krise und der Unsicherheit für die Unternehmen der richtige Augenblick für mehr Öffnung ist. Auf der Tagung wurden Fallbeispiele vorgestellt, etwa aus dem Bereich der Kooperation von Unternehmen mit Start-ups oder mit Hochschulen, aber auch von Firmen untereinander.

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Groß verweist auf eine Beobachtung aus Israel, einem Land, das offene Innovation mit einer ausgeprägten Sicherheitskultur verbindet – und deshalb im Bereich der sogenannten Cybersicherheit ein Weltmarktführer ist. „Der Entwicklungsbereich ist vom Produktionsbereich getrennt“, sagt Groß. Kreative Ideen werden offen entwickelt. Doch der Bereich, wo die Produkte dann tatsächlich hergestellt werden, bleibe weiterhin geschützt. Und diese Parallelität werde es auch im Zeitalter der offenen Innovationen weiterhin geben: „Das eine ist die Wildwasserfahrt. Das andere der Ackerbau.“ Das Entscheidende ist für Groß, dass Firmen zwischen diesen beiden Vorgehensweisen hin und her schalten können.

Geschäftsmodelle brauche offene Daten

Israel sei auch in der Coronapandemie ein Vorreiter gewesen, weil es dort einen pragmatischen Zugang zu Gesundheitsdaten gebe, sagte Hoffmeister-Kraut: „Während bei uns die Wissenschaft für die Forschung durchaus Zugang zu Daten hat, bleiben Unternehmen oft außen vor.“ Doch ohne die Möglichkeit zur Datennutzung bleibe die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle verschlossen. „In anderen Ländern geht man generell mit dem Zugang zu Daten offener um“, sagt die Wirtschaftsministerin.

Datensicherheit ist nicht gleich Datenschutz

Oft würden die Begriffe Datenschutz und Datensicherheit zu wenig unterschieden, sagt Groß: „Datenschutz bedeutet den Schutz des Menschen vor der Maschine. Datensicherheit ist hingegen der Schutz der Maschine vor dem Menschen.“ Datensicherheit bildet die Voraussetzung für den Austausch von Daten – etwa mit verlässlicher Anonymisierung, die den Datenschutz gewährleistet. „Wenn der Kunde einen Mehrwert hat, dann ist er auch bereit, seine Daten zu teilen“, sagt Groß.

„Wenn zum Beispiel zwei Firmen mit ihren Datenbeständen gemeinsam neue Geschäftsmodelle entwickeln können, sollte der Datenschutz solche Chancen unterstützen, nicht verhindern – natürlich ohne das Schutzniveau infrage zu stellen“, sagt Hoffmeister-Kraut.

Vieles ist so oder so transparent

Viele Unternehmensdaten sind sowieso bereits auffindbar. Im Eingangsvortrag des Innovationskongresses, brachte es Katharina Hölzle, Institutsleiterin des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, so auf den Punkt: „Ihre Daten sind überall. Die Künstliche Intelligenz findet, was Sie durch Patente zu schützen versuchen.“ Mit einem neuen Innovationswettbewerb fördert das baden-württembergische Wirtschaftsministerium gerade im Bereich Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit neuartige Produkte und Dienstleistungen. „Der Krieg in der Ukraine zeigt es: Die Bedrohung durch Cyberattacken nimmt ständig zu“, sagt Hoffmeister-Kraut.

Innovationswettbewerb zu Cybersicherheit

All dies sei aber kein Argument, um sich nun gegen das Teilen von Daten abzuschotten, sagt Groß. Im Gegenteil: „Je weniger Sie die Zukunft vorhersagen können, umso mehr müssen Sie diese gestalten.“ Und das schaffe eine Firma nicht mehr allein.