Im Kreis Berchtesgadener Land greift am Dienstag eine Ausgangssperre. Foto: dpa/Peter Kneffel

Die tägliche Zahl der Corona-Neuinfektionen bleibt hoch. In Berlin und den Hauptstädten der Länder werden Maßnahmen beraten, wie sich die Pandemie beherrschen lässt. Wie weit darf der Staat gehen?

Berlin - Nach Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat auch Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) trotz steigender Corona-Zahlen eine Abriegelung von Risikogebieten abgelehnt. „Davon halte ich nichts“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung (Dienstag). „Wir sind nicht in China und haben es auch bis jetzt im Rahmen unseres offenen Systems geschafft, die Pandemie in Grenzen zu halten.“

Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, hatte eine Sperre für Risikogebiete ins Spiel gebracht. Söder hatte dazu gesagt: „Das halte ich für überzogen und nicht für angemessen.“

Wohnung nur noch aus triftigem Grund verlassen

Bayern greift wegen ungebremster Infektionszahlen im Kreis Berchtesgadener Land nun zu drastischen Maßnahmen. Von Dienstag 14.00 Uhr an gelten in der Region an der Grenze zu Österreich die ersten Ausgangsbeschränkungen seit dem Lockdown im Frühjahr.

Die Menschen dürfen die eigene Wohnung dann nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Schulen, Kitas, Freizeiteinrichtungen und Restaurants müssen schließen, Veranstaltungen werden untersagt.

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Der Landkreis lag bei der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz - die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen - am Montagabend bei 272,8. Das ist bundesweiter Spitzenwert. Die Beschränkungen gelten vorerst für 14 Tage.

In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hamburg beraten die Regierungen, wie Schutzvorkehrungen für Regionen mit vielen Neuinfektionen jeweils umgesetzt werden.

Kommen wieder Grenzkontrollen?

Die Gesundheitsämter in Deutschland haben nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Dienstagmorgen 6868 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Der Wert liegt damit deutlich über den 4122 gemeldeten Fällen vom Dienstag vergangener Woche.

Angesichts der zugespitzten Corona-Lage in Europa hält es Bayerns Innenminister Joachim Herrmann für möglich, dass wieder über Grenzkontrollen gesprochen wird. „Die Diskussion um verstärkte Grenzkontrollen könnte wieder aufflammen, falls das Infektionsgeschehen in den Nachbarländern außer Kontrolle gerät“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag).

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Grenzkontrollen kann nur der Bundesinnenminister anordnen. Einzelnen Ländern steht es nur frei, ihre Verordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz so zu formulieren, dass dies einen drastischen Rückgang der Einreisen zur Folge hätte. Innerdeutsche Kontrollen zur Abriegelung von Ortschaften sind dagegen Sache der Behörden vor Ort.

Ansonsten geht es in der Corona-Debatte weiter um diese Punkte:

SCHULE

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hat Ländern und Kommunen einen widersprüchlichen Umgang mit den Corona-Regeln für Schulen vorgeworfen. Der Regelbetrieb laufe vielerorts weiter, obwohl in Städten und Regionen immer häufiger der kritische Wert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner überschritten werde, sagte Meidinger der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Heidelberg). „Bei diesem Wert müsste es eigentlich eine Rückkehr zum Wechselbetrieb mit halbierten Klassen geben.“

ALTEN- UND PFLEGEHEIME

Patientenschützer raten wegen der Pandemie-Lage zu einer bevorzugten Behandlung von Pflegebedürftigen und Altenpflegern bei Corona-Tests. „Viel testen hilft nur dann, wenn das Ergebnis innerhalb von 24 Stunden vorliegt“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der „Rheinischen Post“ (Dienstag). „Deshalb braucht es für diese Gruppen eine Priorisierung bei der Auswertung.“

CORONA-APP

Ministerpräsident Söder hält die Corona-Warn-App bislang für praktisch wirkungslos. „Die App ist leider bisher ein zahnloser Tiger. Sie hat kaum eine warnende Wirkung“, sagte der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). „Daher braucht es ein digitales Update, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die Corona-App wirksam wird.“ Wie genau dieses Update aussehen soll, ließ Söder offen. Die App wurde mittlerweile rund 19,8 Millionen Mal heruntergeladen.