Sie hat fast schon die ganze Welt verspeist, doch ihr Magen knurrt weiter. Die Illustrationen von Nina Dulleck begleiten mit viel Fantasie Magdalena Hais Erzählung von der „Nimmersattkatze“. Foto: Nina Dulleck/Dressler-Verlag

Zwei neue Bilderbücher kümmern sich um dunkle Dinge: Cornelia Funke erzählt vom Ende des Lebens, Magdalena Hai von grenzenloser Gier.

Stuttgart - Auf die Frage, welches ihrer Bücher ihr besonders am Herzen liege, blieb die Antwort von Cornelia Funke bislang vage. Doch nun hat sich die international bekannte Kinder- und Jugendbuchautorin geoutet: Der Beitrag, den sie 2015 für die Anthologie „Lieblingsgeschichten für kleine Helden“ beisteuerte, um ein Kinderhospiz zu unterstützen, bedeute ihr besonders viel. „Die Brücke hinter den Sternen“ heißt diese Geschichte, die nun als eigenständiges Buch erschienen ist – von der Autorin illustriert und mit einem Vorwort versehen.

Dass Cornelia Funke sich gerade dieser Erzählung erneut widmet, verwundert kaum. Schließlich geht es in „Die Brücke hinter den Sternen“ um den schwierigen Weg aus dem Leben und um das, was einen auf der anderen Seite erwarten mag. In einer Zeit, die mit der Angst vor Krankheit, Sterben und Tod das Leben aller beeinträchtigt, erzählt Cornelia Funke auf besondere Weise von dunklen Dingen: mit einer Magie, die dem Konkreten seine Last nimmt, und mit einer Warmherzigkeit, die Ängste zu bannen und das Nichtsagbare auszumalen vermag.

Ein Engel nimmt die schwere Last ab

Ihr Held ist der junge Engel Barnabel. Erst 3025 Jahre alt, ist er in jeder Hinsicht zu leicht, um Menschen, deren Herzen oft schwer wiegen, auf ihrem letzten Weg zu begleiten. „Bei allen sieben Himmeln, sieh dich bloß an“, sagt der Drache, der das Jenseits bewacht. „Der erste Seufzer würde dich von der Brücke wehen.“ Doch Barnabel lässt nicht locker, und mit ihm erkunden wir einen Ort aus Licht, an dem aus alten Ängsten paradiesische Früchte wachsen. Als Barnabel vom eigenen Baum isst, macht ihn die Erinnerung an sein Schicksal als früh gestorbenes Kind bereit dazu, nun andere zu begleiten und ihnen die Bürde der dunklen Dinge abzunehmen. Cornelia Funke ist eine anrührende, mutmachende Erzählung geglückt, ihre Ölskizzen geben Drachen und Engeln zwar materielle Schwere, die Fantasie zu beflügeln, gelingt ihnen aber doch.

Die Welt ist weg, die Katze hat sie aufgefuttert

Eine tolle Balance zwischen durchscheinender Leichtigkeit und dramatischer Wucht gelingt den Illustrationen von Nina Dulleck, die Magdalena Hais märchenhafte „Nimmersattkatze“ auf ihrem alles vernichtenden Beutezug beobachten: Nach dem ersten Blick in die grünen, abgrundtiefen Augen der Unersättlichen ist man hineingezogen in diese Geschichte und blättert selbst gierig weiter.

Vor langer Zeit und weit weg in einem Land, das unter Dürre und Armut leidet, siedelt die finnische Autorin ihre Geschichte an. Und doch erkennen selbst junge Zuhörer sofort die Aktualität des Erzählten, das sich als Parabel über die Auswirkungen menschlicher Gier lesen lässt: Die Sonne brennt, was Richtiges zu essen hatten die wenigen Überlebenden schon lange nicht mehr, denn die Katze hat alles verspeist, die Fische aus dem Meer ebenso wie das Getreide von den Äckern, und wird dabei immer größer.

Egal wie winzig: Jeder kann die Welt retten

Das Treffen mit einem winzigen Mädchen entpuppt sich als Prüfung für das Tier und seinen knurrenden Magen. Das Menschlein ist nett, aber auch das letzte Essbare. Mit viel Humor erzählt Magdalena Hai von Gier und Moral; statt einer belastenden Dystopie gelingt ihr eine hoffnungsfrohe Wendung.

Selbst aus der allerschlimmsten Situation, lernt das Mädchen, als es im Magen der Katze ein Paralleluniversum entdeckt, gibt es einen Ausweg, man darf nur den Glauben an das Gute nicht verlieren. Kleine Menschen erfahren in der wunderbar illustrierten Geschichte mit ihrem Happy End an einem paradiesischen Strand, dass es auf jeden ankommt. Die Welt besser machen kann jeder, egal wie winzig er ist.