Auf einem gut 600 Meter langen Geländestreifen zwischen den Bahngleisen und den Firmengebäuden an der Augsburger Straße soll ein urbanes Quartier entstehen. Die einst von der Schwertransportfirma Paule genutzten Hallen sind bereits abgerissen. Foto: Elke Hauptmann

Am Obertürkheimer Bahnhof soll ein urbanes Quartier entstehen – mit Wohnungen, Einzelhandel, Büros und Gewerbe. Die SWSG und die Firma Aurelis wollen das Areal entwickeln.

Obertürkheim - D ie Bebauung der Brachfläche am Bahnhof sei „eine Riesenchance für den Stadtbezirk“, sind sich die Obertürkheimer Bezirksbeiräte einig. Und deshalb haben sie in ihrer jüngsten Sitzung der Aufstellung eines neuen Bebauungsplans gern zugestimmt, schließlich könnte so mitten im Ortskern auf insgesamt 2,6 Hektar Fläche ein urbanes Quartier mit Wohnungen, Einzelhandel, Büros und Gewerbe entstehen. Der gemeinderätliche Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik soll am 15. Dezember den finalen Beschluss fassen.

Schwieriges Grundstück

Das von der Deutschen Bahn nicht mehr benötigte Güterbahnhofsareal wurde schon vor einigen Jahren an die Firma Aurelis verkauft. Diese ließ sich jedoch Zeit mit der Planung. Als Zwischennutzung wurde die Fläche an das Schwertransportunternehmen Hermann Paule vermietet – bis zur Kündigung Ende 2018. Die Firma zog nach Esslingen um und die riesigen Hallen samt Verwaltungsgebäude wurden abgerissen. Wie Ingrid Kuhlmann vom Amt für Stadtplanung und Wohnen informierte, fanden bereits mehrere Gespräche mit Aurelis statt mit dem Ziel, dieses nicht ganz einfache Grundstück qualitätsvoll zu entwickeln: Es umfasst einen knapp 600 Meter langen und im Mittel etwa 50 Meter tiefen Geländestreifen entlang der Bahnstrecke Stuttgart-Ulm, der zum Großteil an die gewerbliche Bebauung der Augsburger Straße grenzt. Im Süden, an der Straße in den Stegwiesen, verjüngt dieser sich auf nur noch zehn Meter Breite und ist deshalb für eine Bebauung ungeeignet. „Dort soll, auch als Ausgleichsmaßnahme, eine Grünfläche entstehen.“ So wurden auf der Fläche Mauereidechsen sowie verschiedene Wildbienenarten nachgewiesen.

SWSG will Verwaltung erweitern

Im direkten Anschluss an den Bahnhof ist ein Mix aus Wohnen, kleinen Geschäften und Büros geplant. „Derzeit finden Verkaufsverhandlungen zwischen der Firma Aurelis und der SWSG statt, die diese Teilfläche erwerben will“, so Kuhlmann. Mit einem Abschluss rechne man „ in naher Zukunft“. Das städtische Wohnungsbauunternehmen könnte so nicht nur grob geschätzt 120 Wohneinheiten in vier- bis fünfgeschossigen Gebäuden errichten, sondern auch für die angrenzende Hauptverwaltung dringend benötigte, zusätzliche Büroflächen schaffen. „Aus Gründen des Lärmschutzes sollen sich die Büros eher an der Bahnlinie befinden, die Wohnungen im Innenbereich“, erläuterte Kuhlmann. Auch ein Fahrradparkhaus ist vorgesehen. Das Quartier soll durchlässig für Fußgänger und Fahrradverkehr gestaltet werden, zudem ist eine umfangreiche Begrünung geplant.

Aurelis plant Gewerbegebiet

Im südlichen Teil will Aurelis ein Gewerbegebiet mit Produktion und Lager in den Erdgeschossen und Büros in den oberen Etagen vorgesehen. Hier können fünfgeschossige Gebäude entstehen. „Eine Dach- und Fassadenbegrünung ist ebenfalls obligatorisch.“ Die gemeinsame Erschließung wird von der Augsburger Straße aus erfolgen, ein öffentlicher Platz soll als Verbindungsglied der beiden Gebiete entstehen. „Die Ansiedlung eines Quartiersparkhauses wäre dort wünschenswert.“ Noch stehe man mit der Planung am Anfang, betonte Kuhlmann. Im weiteren Bebauungsplanverfahren soll von Aurelis noch im ersten Halbjahr 2021 ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt werden. Mit dem Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan rechnet die Stadt Anfang 2023, mit dem Satzungsbeschluss im Herbst des gleichen Jahres.

Skepsis und Freude

Die Bezirksbeiräte begrüßen die Planung ausdrücklich. „Wir haben sonst keine großen Entwicklungsmöglichkeiten mehr in Obertürkheim“, betonte Peter Aichinger (Freie Wähler). Allerdings meldeten sie auch Bedenken an. Matthias Föll (CDU) beispielsweise befürchtet Altlasten im Boden. Das werde man im Verfahren untersuchen, so Kuhlmann. Für Stefan Ludwig (CDU) ist womöglich zu viel Gewerbefläche geplant: „Wäre es nicht sinnvoller, mehr Wohnungen zu bauen?“ Die Wohnqualität bewertet Monika Geiger (Grüne) indes kritisch: „Ist denn eine Lärmschutzwand geplant? Das Gebiet liegt schließlich an einer stark frequentierten Bahntrasse.“ Zudem erwäge die Bahn, einen Teil der Gleise in Obertürkheim als Abstellreserve für den künftigen Wartungsbahnhof Untertürkheim zu ertüchtigen, erinnerte sie. Elisabeth Remppis wünscht sich eine soziale Durchmischung des Quartiers. Woraufhin die Stadtplanerin erläuterte: Das Verfahren werde nach den Grundsätzen des Stuttgarter Innenentwicklungsmodells (SIM) erfolgen, das unter anderem die Schaffung von Sozialwohnungen vorschreibt. Die Sorge von Christoph Hofrichter (Linke), im neuen Quartier könnte ein Discounter angesiedelt werden, der das Aus für den Cap-Markt bedeuten würde, zerstreute Kuhlmann: Es sei „kein großflächiger Einzelhandel vorgesehen“, man denke mehr an kleine Einheiten wie ein Bäcker oder ein Café. Michael Jantzer (SPD) regte an, den Bau einer Fußgängerbrücke vom Neubaugebiet über die Gleise zum gegenüberliegenden Sportgelände des VfB Obertürkheim in den Wettbewerb mit aufzunehmen. „Das wäre ein enormer Gewinn für unseren Ort.“ Walter Zinser (FDP) forderte die Stadt auf, bei der Planung auch das angrenzende Gewerbegrundstück, früher von EVT/Alstom genutzt, im Blick zu behalten. Die Gebäude würden zum Großteil leer stehen.