Nach drei Tagen war Nelly wieder zuhause – erschöpft aber unverletzt. Foto: privat/Hund entlaufen Baden-Württemberg

Ein Stuttgarter Paar erlebt den Albtraum eines jeden Hundebesitzers. Hündin Nelly läuft wegen Böllern weg, kollidiert mit einem Auto und verschwindet. Die Organisation „Hund entlaufen Baden-Württemberg“ hilft bei der Suche. Gibt es ein Happy End?

Eigentlich haben Lisa und Andreas Volk alles richtig gemacht. Schon Tage vor Silvester haben sie Nelly nicht mehr von der Leine gelassen – und das, obwohl sie eigentlich gar keine Angsthündin ist. Und eigentlich hat der drei Jahre alte Vierbeiner auch nie auf Böller reagiert. Eigentlich. Bis zum vorletzten Tag des Jahres 2022, als das Lehrerpaar mit Nelly und Artgenossin Ayla eigentlich nur noch eine kurze Abendrunde im Stuttgarter Süden drehen wollte und eine Feuerwerksbatterie direkt neben ihnen explodierte.

„Es war so laut, ich dachte, wir werden abgeschossen“, erinnert sich Lisa Volk an die Situation, die sich nahe der Stadtbahnhaltestelle Bopser zutrug. Dann ging alles ganz schnell: Nelly wurde panisch, ihre Besitzerin stürzte und ließ die Schlaufe los. Der Vierbeiner ergriff die Flucht, kollidierte auf der B27 mit einem Auto und rannte anschließend in den Bosperwald.

Suchtrupps vermeiden

Während Andreas Volk noch mit dem Autofahrer sprach, rannten seine Frau und Ayla der flüchtenden Hündin hinterher. „Irgendwann saß ich im dunklen Wald, ohne Taschenlampe“, erinnert sich die 35-Jährige – und ohne Nelly. Das Paar aktivierte Freunde und Familie, die allesamt vergebens bei der Suche halfen. Eine Aktion, die man tunlichst vermeiden sollte – das wissen die Volks heute.

„Wenn 15 Leute durch den Wald rennen und ‚Nelly, Nelly’ rufen, dann treibt man den ohnehin schon panischen Hund immer weiter von sich weg, weil er kennt all diese Leute ja gar nicht“, weiß Nadja Pawert. Die 47-Jährige ist Gründerin der Organisation „Hund entlaufen Baden-Württemberg“, an die sich Nellys Besitzer am Morgen nach der erfolglosen Suchaktionen und Übernachtung im am Waldrand geparkten Auto wendeten.

Plattform und Beratung

„Eigentlich dachte ich, die Plattform ist vor allem dafür da, um unsere Suche publik zu machen“, sagt Lisa Volk. Ein paar Stunden später habe sich Nadja Pawert aber gemeldet, gefragt, ob das Paar Hilfe brauche und Tipps geschickt. „Wir beraten immer. Es ist ja wichtig, dass die Besitzer schon früh das Richtige machen“, sagt die Hundeexpertin.

Und das heißt im Regelfall: Flyer verteilen, Futterstellen einrichten, Sichtungen dokumentieren, Lebendfallen aufstellen – und in Nellys Fall auch Suchhunde einsetzen. „Das machen wir aber immer nur dann, wenn davon auszugehen ist, dass der Hund etwa nach einen Unfall schwer verletzt ist, mit Leine entlaufen ist, alt und krank ist oder sich nicht mehr orientieren kann“, erklärt Pawert.

Erfolg nach drei Tagen

Die Volks erlebten Nellys Abwesenheit „als die schlimmsten Tage unseres Lebens“. Für alle, die keinen Hund hätten, höre es sich vielleicht albern an, aber die beiden seien einfach nur leer und hoffnungslos gewesen. „Wir hätten nicht mal sagen können, dass wir traurig sind, es war schlimmer“, versucht Lisa Volk ihren Gefühlszustand zu beschreiben.

Zur Erleichterung und Überraschung aller war Nelly ihrer Spur zufolge aber weder verletzt noch saß sie wegen ihrer Leine fest. Pawerts Team stellt die Suche deshalb ein, „um die Hündin nicht weiter in die Stadt zu treiben“. An der Stelle, an der die Suchhunde eine besonders frische Spur erschnüffelten, legten Herrchen und Frauchen stattdessen ordentlich Leberwurst aus. Und ganz in der Nähe – und mittlerweile drei Tage nach ihrer Flucht – wurde die Hündin schließlich von drei Spaziergängerinnen gefunden.

Mit Wanja begann 2013 alles

Happy End für Lisa und Andreas Volk! Für Pawert und ihr Team gibt es das nicht immer. Im Februar 2013 etwa war da Wanja. Ein Schäferhund-Mix, der am Katzenbacher Hof in Stuttgart-Vaihingen davonlief, ebenfalls in den Wald hinein. Pawert kannte die Hündin nicht, wollte aber helfen, verteilte Flyer, stellte Lebendfallen auf, schaffte Wildkameras an. Doch der Hund blieb verschollen, bis heute. Weil die Hundefreundin dann aber die ganzen Sachen und das nötige Know-how hatte, war die ehrenamtliche Organisation „Hund entlaufen Baden-Württemberg“ geboren, die bis heute schätzungsweise 150 Hunde gesichert hat.

Lisa und Areas Volks sind froh, dass es so kam: „Wir sind unendlich dankbar, dass wir all diese Menschen kennlernen durften. Sie haben sich so viel Zeit genommen. Und obwohl das alles wirklich schlimm war, muss man sagen, dass die Unterstützung einfach großartig war“, sagt Lisa Volk.

Und Nelly? – Die ist erschöpft aber unverletzt. Lediglich auf Knallgeräusche reagiert sie jetzt viel schreckhafter als vorher. Ihre Besitzerin befürwortet deshalb ein Böllerverbot an Silvester. „Oder wenn man schon nicht darauf verzichten kann, dann sollte man sich wenigsten an die Zeiten halten, in denen das erlaubt ist.“

Übrigens: Auf der Internet- und der Facebook-Seite von „Hund entlaufen Baden-Württemberg“ finden Hundebesitzer nützliche Informationen, falls sie in eine ähnliche Situation kommen wie Lisa und Andreas Volk.