Michael Eick (vorne) und Wolf-Dieter Paul begutachten die durch Radler verursachten Schäden im Krebsbach. Foto: /Mathias Kuhn

Naturschützer und Förster sind besorgt. Immer mehr illegale Mountainbike-Strecken werden im Schurwald entdeckt. Sie richten erhebliche Schäden in der Natur an. Ein Konzept soll den Radverkehr lenken.

Uhlbach - Tiefe Rillen im Waldboden, Abdrücke von Reifenstollen im Bachbett, künstlich errichtete Schanzen, überrollte Waldmistkäfer, kein Gras mehr auf dem Boden, Erosion – die Spuren im Wald zwischen Kappelberg, Kernenturm und Katharinenlinde sind unübersehbar. Sie schmerzen Naturschützer und Förster. „Es gab hier schon immer Radwege. Doch seit Ausbruch der Corona-Pandemie wächst der Druck auf die Natur. Die Zahl der illegalen Mountainbike-Trails hat sich verzehnfacht“, sagt Wolf-Dieter Paul vom BUND-Kreisverband. „Durch unsere Waldgebiete zieht sich kreuz und quer ein dichtes Netz von illegalen Strecken. Seitdem E-Bikes erschwinglich geworden sind, kommen auch weniger sportliche Radfahrer in die unberührtesten Winkel unserer Wälder“, sagt der Fellbacher Revierleiter Stefan Baranek. „Selbst in den Nachtstunden rasen Mountainbiker oder sogar Segwayfahrer mit Stirnlampen durch den Wald“, ergänzt der Uhlbacher Waldbesitzer Siegfried Berner.

Deswegen haben sich gestern Vertreter der beiden Naturschutzverbände, BUND und Nabu, Siegfried Berner als Naturschutzbeauftragter des Jagdverbands sowie etliche Mitarbeiter der Forstämter in Stuttgart, Esslingen, Waiblingen-Fellbach und des Landes an der Waldschänke Sieben Linde getroffen. Ihnen geht es darum, die „wertvollen Waldgebiete in dem Gebiet des Schurwalds besser zu schützen“, so Stefan Kress vom Naturschutzbund (Nabu) Stuttgart. Denn die Schäden sind mannigfaltig: Wo Räder rollen, ist der Boden verdichtet. Den Stollen der Reifen ist kein Gräschen mehr gewachsen, Wurzeln liegen blank. „Die durch die Trockenheit eh gestressten Bäume, werden weiter geschwächt“, so Baranek. Auch Tiere werden in Mitleidenschaft gezogen. Dutzende toter, schwarzer Mistkäfer belegten dies bei der Vorortbegehung entlang des Krebsbaches auf nachdrückliche Weise. Gerhard Pfeifer, der BUND-Regionalgeschäftsführer, und Michael Eick vom Naturschutzbund Fellbach berichteten von Feuersalamandern, Ringelnattern, Steinkrebsen und bedrohten Insektenarten, die unter die Räder gekommen sind. Andere verlieren ihr Rückzugsgebiet. „Anders als Wanderer kommen die Mountainbiker für Wildtiere mit hoher Geschwindigkeit überfallartig angefahren. Sie scheuchen Rehe, Hasen und andere Waldbewohner auf den schmalen Single-Trails auf, was den Tieren viel Energie raubt“, so Eick. Zudem gibt es immer wieder einen weiteren Konflikt: Auch Spaziergänger und Wanderer fühlen sich von leisen Querfeldeinfahrern gestört und bedrängt.

„Vielen Radfahrern ist dabei gar nicht bewusst, dass sie sich illegal verhalten, weil sie sich auf Wegen, die schmäler als zwei Meter sind, bewegen“, sagt Ingo Hanak vom Forstamt Esslingen. Doch was kann gegen die illegalen Trails und deren weitere Ausbreitung unternommen werden? Die Experten waren sich nach dem Rundgang einig, dass der naturzerstörerischen Nutzung dringend Einhalt geboten werden müsse. „Und zwar möglichst schnell. Wir benötigen kein Freizeitkonzept, das erst in drei Jahren vorliegt,“ sagt Gerhard Pfeifer als Seitenhieb auf die Stuttgarter Stadtverwaltung, die für „viel Geld zuerst ein teueres Gutachten in Auftrag geben will.“ Ein Blick nach Esslingen könnte einen Fingerzeig geben. Nach dem Motto „Wehret den Anfängen“ lässt Hanak illegale Mountainbike-Trails sofort entfernen. „An die Einstiege legen wir Bäume, entfernen Schanzen, bringen aber auch Schilder an, wieso der Bereich geschützt ist.“ Über Stadt- und Landkreisgrenzen hinweg wollen die gestern Beteiligten nun einen interkommunalen Dialog führen und auch Vertreter der Mountainbiker beteiligen. Gemeinsam solle ein Konsens gefunden, möglichst alle Interessen unter einen Hut gebracht werden. Der Radverkehr im Wald müsse in Bahnen gelenkt, Mountainbikern die richtigen Wege gezeigt, sie aber auch in Schranken gewiesen werden. „Von Beginn an muss klar sein, dass als natursensibel ausgewiesene Gebiete weiterhin No-go-Areas für Zweiräder bleiben werden“, so Hanak. Dies müsse dann auch mit entsprechenden Infotafeln kommuniziert werden. Paul kann sich auf der anderen Seite auch vorstellen, dass bislang illegale Radstrecken für Mountainbiker freigegeben werden. „Im Idealfall haben wir in zwei Jahren ein kreisübergreifendes Netz mit erlaubten Trails, Spazierwegen und mit Sperrgebieten, das wir gemeinsam entwickelt haben“, wünscht sich Eick. Die Mountainbike-Community müsse dann in ihren Kreisen dafür werben, dass der Verhaltenskodex eingehalten werde. Denn sonst käme man nur mit Strafen weiter.