Rund 19 Millionen Euro haben Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), Stadt und Land in die neuen Fahrzeuge für die Zahnradbahn investiert, die am Samstag symbolisch in Betrieb genommen wurden.
Stuttgart hat gleich mehrere Wahrzeichen: den Fernsehturm, die Wilhelma oder die Weißenhofsiedlung. Aber auch die Zahnradbahn, von den Stuttgartern liebevoll Zacke oder Zacketse genannt, gehört dazu. Wie groß die Identifikation mit dem 20 Meter langen Triebwagen ist, zeigte sich auch bei der Namenstaufe am Samstag – nicht nur geladene Gäste verfolgten auf dem Marienplatz die offizielle Einweihung von Wagen Nummer 1101.
Zahnradbahnfans entlang der Strecke
Als der Wagen auf die Strecke ging, säumten immer wieder Menschen die Strecke und filmten und fotografierten die Gefährte. „Mit den neuen Wagen sind wir für die nächsten Jahrzehnte gerüstet“, sagte Thomas Moser, Vorstandssprecher und technischer Vorstand der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB).
Wagen heißt jetzt Weinsteige
Wagen 1101 hat einen neuen Namen bekommen: Während das Vorgängermodell Heslach hieß, wurde der Nachfolger auf den Namen Weinsteige getauft. Eine lilafarbene Weintraube ziert jetzt den neuen gelben Triebwagen, der ansonsten von überdimensionalen weißen Zahnrädern verschönert wird. „Seit 80 Jahren fährt die Zacke vom Marienplatz los, der ja eigentlich nicht zu Heslach gehört. Jetzt korrigieren wir den Fehler und nennen den Wagen Weinsteige“, klärte Bezirksvorsteher Raiko Grieb auf.
Und weil die Zacke auf ihrer 2,2 Kilometer langen Fahrt auch den Blick auf Weinberge ermöglicht, wurde sie von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper dann mit einem guten Tropfen aus Degerloch getauft. Beide outeten sich dabei als Zacke-Fans. Hermann hob den Pioniergeist der Firma Kessler aus Esslingen hervor, die 1884 die erste Generation auf den Weg nach Degerloch schickte, und schon 1904 sei die Strecke elektrifiziert worden. „Die Zacke zeigt auch, mit welchen Formen man öffentlichen Nahverkehr machen kann“, sagte Hermann. Er könnte sich für Stuttgart aber auch eine Seilbahn vorstellen und nennt das Modell, das aktuell auf der Bundesgartenschau in Mannheim zu sehen ist. „Das könnte man danach auch in Stuttgart testen.“ Um die in der Stadt näher untersuchte Strecke im Stadtbezirk Vaihingen ist es zuletzt allerdings ruhig geworden.
Ob wünscht sich Museumsbetrieb
Frank Nopper verweist nur zu gerne auf den Fakt, dass Stuttgart über die einzige innerstädtische Zahnradbahn in Deutschland verfüge. Auch den OB treibt wie Hermann eine Vision um. „Es wäre schön, wenn die alten Wagen auch noch ergänzend fahren könnten. Das hätte Charme und Esprit“, sagt Nopper. Das wird wohl Wunschdenken bleiben. Die 1002 war jedoch am Sonntag noch einmal auf Abschiedstour unterwegs.
Rund 19 Millionen Euro investierten die SSB mit Unterstützung von Stadt und Land in die neue Flotte samt Ersatzteilpaket. Doch was macht die drei von der Schweizer Firma Stadler gebauten neuen Triebwagen aus? Sie sind eckig und modern, leiser, noch leistungsstärker, um die Steigung von bis zu 17,8 Prozent zu bewältigen, haben eine bessere Klimatisierung, und der Fahrradvorstellwagen kann jetzt 20 Räder transportieren. Ein ganz wichtiger Faktor aber ist, dass die Wagen barrierefrei gestaltet sind. Die drei Haltestellen Marienplatz, Degerloch und Weinsteige sind dafür auch schon entsprechend umgestaltet worden. „Die anderen fünf kommen nach und nach dazu“, sagt Thomas Moser.
Wie Degerloch einst von der Bahn profitierte
Die beiden anderen Wagen behielten ihre Namen: Nummer 1102 heißt Degerloch, 1103 Haigst. In Degerloch warf der stellvertretende Bezirksvorsteher Martin Buchau noch einmal einen nostalgischen Blick zurück und erklärte den Gästen, dass Degerloch einst ein Luftkurort war. „Das hatte man der Zacke zu verdanken. Bis zu 10 000 Menschen fuhren früher täglich damit“, sagte Buchau.
Heute nutzen pro Tag 2500 bis 3000 Fahrgäste die Zacke. An der Taufe von Wagen Haigst waren auch die ganz kleinen Mitbürger beteiligt. Eine zehnköpfige Gruppe vom evangelischen Kindergarten Haigst sang ein Ständchen und überreichte ein selbst gemaltes Bild mit der Botschaft: Allzeit gute Fahrt für die drei Züge der Zacke.