Vor dem Oberlandesgericht wird derzeit verhandelt, wer nach einem tragischen Kletterunfall in Stuttgart haftbar gemacht werden kann. (Symbolfoto) Foto: Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Ein Mann, der in einer Kletterhalle in Stuttgart von einem abstürzenden Kletterer schwer verletzt wurde, klagt in zweiter Instanz auf Schadenersatz.

Stuttgart - Ein Mann geht in der Kletteranlage auf der Waldau in Degerloch von einer Halle zur nächsten. Plötzlich stürzt ein Kletterer ab und fällt aus mehr als sieben Metern mit voller Wucht auf den Mann. Der Fall hat sich bereits 2011 zugetragen, hat aber nichts an seiner Dramatik verloren. Denn das Opfer wurde damals schwer verletzt und ist seither auf einen Rollstuhl angewiesen. Jetzt haben sich die Parteien in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart getroffen. Es geht um Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Das Landgericht Stuttgart hatte den Fall bereits 2018 verhandelt und am 13. Juli entschieden, dass der abgestürzte Kletterer und auch die Betreibergesellschaft der Halle nicht haftbar zu machen seien. Auch sei dem Geschädigten kein Mitverschulden anzulasten. Schuld und damit schadenersatzpflichtig sei dagegen die Frau, die den Kletterer abgesichert hatte. Sie hatte mit dem Sportler eine Klettergemeinschaft gebildet und war dafür zuständig, ihn per Seil und Sicherungsgerät vor einem Sturz auf den Boden zu bewahren. Die Höhe des Schadenersatzes und des Schmerzensgelds hatte das Landgericht seinerzeit noch nicht festgelegt.

Ist der Betreiber haftbar zu machen?

Der Rechtsstreit findet seit Dienstag seine Fortsetzung vor dem 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart. Denn der 45-Jährige will, dass auch die Betreibergesellschaft der Degerlocher Kletterhalle in Haftung genommen wird. Die junge Frau, die für die Absicherung des gestürzten Kletterers zu sorgen hatte, ist ebenfalls in Berufung vor das OLG Stuttgart gegangen.

„Nach unserer vorläufigen Einschätzung ist die Frau, die sichern sollte, haftbar“, sagt Oliver Mosthaf, Vorsitzender Richter des 6. Zivilsenats.

Doch die Gemengelage ist juristisch offenbar sehr vertrackt. Der Durchgang von Halle 1 zu Halle 2 in der Anlage sei lediglich 2,80 Meter breit. Dort hatte sich der Unfall ereignet. Auf beiden Seiten des Durchgangs wurde geklettert, so dass nur ein kleiner Streifen zum gefahrlosen Begehen des Durchgangs übrig blieb.

Richter wirft Fragen auf

Richter Mosthaf wirft mehrere Fragen auf: Durfte man in dem Durchgang überhaupt klettern? Sei das nicht zu gefährlich? Wenn ja, wäre der Betreiber dafür verantwortlich und wohl haftbar zu machen. Schließlich sei die Kletterhalle in Degerloch keine Anlage ausschließlich für Profikletterer, sondern frei zugänglich, auch für Gruppen von Kindern, so Mosthaf. „So verstehen wir das jedenfalls“, sagt der Richter.

Das Landgericht hat keine Kausalität zwischen dem schmalen Durchgang mit zwei Kletterwänden und dem Unfall gesehen. „Für uns ist das nicht ganz nachvollziehbar“, sagt der Vorsitzende Richter.

Auch die Feststellung der Vorinstanz, dass der Mann, der schwer verletzt wurde, keinen Fehler gemacht habe, sei so klar überhaupt nicht. „Er befand sich schließlich zweifelsfrei im Sturzbereich“, sagt Mosthaf.

Schwerer Kletterunfall 2008

Bereits im Juli 2008 war ein Kletterer bei einem Sturz im Kletterzentrum auf der Waldau lebensgefährlich verletzt worden – obwohl Klettern als sichere Sportart gilt.

Jetzt muss das OLG im aktuell verhandelten Fall unter anderem klären, ob beispielsweise ein falsches Sicherungsgerät eingesetzt wurde, ob der Kletterer vielleicht zu schwer war für die absichernde Frau oder ob sie abgelenkt war. Ein Gutachter ist eingeschaltet. Wann das Urteil fällt, ist noch unklar.