Der Verband Region Stuttgart muss damit rechnen, dass er nach 2024 den Bauschutt nicht mehr der AVL im Kreis Ludwigsburg anliefern darf.
Nach dem vorläufigen Stopp des Deponie-Suchlaufs im Kreis Ludwigsburg stellen sich viele Bürger die Frage, ob Ludwigsburg weiterhin die Last der Entsorgung für andere Kreise tragen soll. Landrat Dietmar Allgaier muss klären, ob die kreiseigene Abfallverwertungsgesellschaft AVL nach dem Jahr 2024 keinen verschmutzten Bauschutt mehr aus der Region Stuttgart in der Deponie in Schwieberdingen annehmen soll. Wäre dem so, könnte die Deponie wohl noch etwa 20 Jahre – und nicht zehn, wie von der AVL geschätzt – betrieben werden. Den schwarzen Peter hätte damit dann aber der Verband Region Stuttgart (VRS), der offenbar noch keinen Plan B hat, wie er den stärker verschmutzten Erdaushub und Bauschutt der Klassen I und II aus den anderen Landkreisen verteilt.
Die Fraktionen im Ludwigsburger Kreistag wollen den Flächenverbrauch in der Deponie Schwieberdingen drosseln: Die AVL soll weniger Abfall annehmen. Viel hängt von den Gesprächen zwischen Kreis und Regionalverband ab. Was aber macht der VRS, sollte der Kreistag in Ludwigsburg den Vertrag zur Anlieferung von vielen Tausend Tonnen Bauschutt jährlich aus der Region über 2024 hinaus nicht verlängern? Das Problem ist vielschichtig – Verhandlungen mit den anderen Landkreisen über eine Alternative hat der VRS nach eigenen Angaben noch nicht geführt.
Wie beurteilt der VRS-Wirtschaftsdirektor Jürgen Wurmthaler die Lage?
In der undurchsichtigen Gemengelage setzt Jürgen Wurmthaler auf Kooperationen statt auf einen Alleingang des VRS. „Der Verband Region Stuttgart will keine eigene Abfallgesellschaft gründen“, stellt er klar. Hatte der Ludwigsburger Landrat Dietmar Allgaier in seiner Pressemitteilung in dieser Woche noch die Möglichkeit eines eigenen Deponiesuchlaufs des VRS für dessen Bauschutt aus anderen Landkreisen erwogen, dämpft Wurmthaler die Erwartungen: „Eine Deponie lässt sich nicht in zwei Jahren bauen.“ Bei einem Ausstieg des Kreises Ludwigsburg bliebe nur der Weg, Deponieflächen in anderen Landkreisen zu füllen. Die Gespräche mit ihnen wolle er aber erst führen, wenn Allgaier sich erklärt habe. „Unser Partner ist Ludwigsburg.“ Es sei durchaus sinnvoll, bestehendes Deponievolumen in Schwieberdingen und Horrheim zu nutzen. „Wir werden alle nicht glücklicher, wenn wir einen neuen Deponie-Standort eröffnen.“
Gibt es noch Deponievolumen für Bauschutt in anderen Landkreisen?
Mit dieser Frage sei er noch nicht an die anderen Kreise herangetreten, berichtet Jürgen Wurmthaler. „Die Ludwigsburger Situation ist erst in den letzten Wochen öffentlich geworden.“ In der Erddeponie Backnang-Steinbach im Rems-Murr-Kreis etwa darf nur Abfall der Deponieklassen 0 und II angeliefert werden – was zur Folge hat, dass diese Deponie langsamer gefüllt wird als die in Schwieberdingen. Der VRS braucht jedoch vor allem Platz für Bauschutt der Klasse I. Denn der bildet das Gros der rund 144 000 Tonnen Erdaushub und Bauschutt aus der Region Stuttgart in Schwieberdingen im Jahr 2021. Könnte Backnang einspringen? Das Landratsamt in Waiblingen senkt den Daumen. Diesen Abfall der geringer belasteten Klasse I an einer aufwendiger abgedichteten DK-II-Deponie wie in Backnang zu entsorgen sei in vielen Fällen nicht wirtschaftlich. Und der Landkreis Esslingen? Er betreibt laut Landratsamt nur drei Deponien der Klasse 0.
Was halten Großbottwar und Hemmingen vom Stopp?
Der Großbottwarer Bürgermeister Ralf Zimmermann (parteilos) sieht im Stopp einen Erfolg, will aber das Verfahren weiter wachsam verfolgen. „Unser Widerstand wird nicht verstummen: Die AVL muss ihre Hausaufgaben machen und errechnen, wie hoch ihr tatsächlicher Bedarf ist.“ Schockiert habe ihn, dass die AVL mit 45 Hektar einfach eine riesige Fläche genommen habe, um damit „den Bauschutt von halb Baden-Württemberg aufzunehmen“. Quasi nebenbei eine Verbrennungsanlage für beschichtetes Restholz zu installieren, „geht überhaupt nicht“.
Und auch Zimmermanns Hemminger Kollege Thomas Schäfer (CDU) bleibt misstrauisch: „Es hat eher den Anschein, dass eben jetzt der Druck aus dem Kessel genommen wird und die sowieso angedachten weiteren Untersuchungen angestrengt werden und am ,Runden Tisch’ im zweiten Quartal 2023 präsentiert werden.“ Hemmingen werde sich – mit Eberdingen und Ditzingen – juristisch und gutachterlich wehren. So werde der Gemeinderat wie geplant in der Sitzung am 13. Dezember eine Resolution gegen den Standort Hemmingen beschließen. Bei einem Suchlauf 2.0 müsste, so Schäfer, nochmals geprüft werden, ob etwa eine Lage im Wald – ähnlich der von der Deponie Burghof in Horrheim – von vornherein auszuschließen sei. Es gebe Waldflächen, die durch den Klimawandel geschädigt seien.
Im Kreis Böblingen ist ein Suchlauf bisher gescheitert. Warum?
Um den Erdaushub von Baustellen im Kreis Böblingen zu deponieren – immerhin 200 000 bis 250 000 Tonnen pro Jahr – sucht das Landratsamt dort schon seit Jahren nach einem geeigneten Standort für eine Erddeponie. Bisher ohne nennenswerten Erfolg. Vor allem das Sindelfinger Rathaus macht dem Landrat das Leben schwer. Oberbürgermeister Bernd Vöhringer (CDU) war es, der den Suchlauf für einen Deponie-Standort 2017 noch mal komplett neu aufrollen ließ, obwohl es schon etliche Gutachten gab und Debatten geführt worden waren. Mehr noch: Vöhringer warf Landrat Roland Bernhard in harten Worten vor, unsauber gearbeitet, Statistiken frisiert und Zahlen nicht korrekt addiert zu haben. So kam es zu einer Arbeitsgruppe und einem neuen Suchlauf. Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht.
Sind nur die Abfallmengen aus dem Landkreis Ludwigsburg für die neue Deponie bindend?
Ausgangslage
Der Freie-Wähler-Fraktionschef im Kreistag, Rainer Gessler, sagt: „Eine neue Deponie im Kreis kann grundsätzlich nur mit den Abfallmengen aus dem Kreis begründet werden.“ Daran ist laut Regierungspräsidium Stuttgart richtig, dass es einer Planrechtfertigung bedarf. Entscheidend sei jedoch die Entsorgungssicherheit. Und die beziehe sich auf die Gesamtkapazität der baden-württembergischen Deponien in zehn Jahren.
Bedeutung
Laut RP gehöre der Kreis Ludwigsburg zum Gebiet des Verband Region Stuttgart, der als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger unter anderem für Bodenaushub der Deponien der Klasse I die Entsorgung koordiniert. Dies widerspreche einer ausschließlich landkreisbezogenen Betrachtungsweise.