Der Gesundheitsminister steht in der Kritik – doch was steckt hinter seiner Warnung vor Virus-Mutationen im Herbst? Foto: AFP/John MacDougall

Die Kritik an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist vielstimmig. Was steckt dahinter? Drohen Mutationen – oder eine „Killervariante“? Fragen und Antworten dazu.

Dass Corona für viele Menschen den Schrecken verloren hat, liegt an Omikron. Der vergleichsweise milde Verlauf hat trotz hoher Infektionszahlen nicht zu einer Überlastung des Gesundheitssystems geführt – zu hohen Krankenständen in Betrieben und Behörden allerdings schon. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt sogar schon vor einer tödlichen Kombination aus Delta und Omikron, „einer Killervariante“.

Ist eine „Killervariante“ realistisch?

Richtig ist, das Virus ist in ständiger Veränderung. Omikron wird in Sublinien unterteilt, die sich in der Anzahl der Mutationen unterscheiden. Zunächst waren das BA.1, BA.2 und BA.3. Rasch erwies sich BA.2 als noch ansteckender als BA.1. Ende Februar überholte BA.2 in Deutschland BA.1, Anfang April kam BA.1 laut Robert-Koch-Institut nur noch auf sechs Prozent aller Infektionen. Die gefährlichere Delta-Variante, bis Dezember 2021 hierzulande vorherrschend, ist mittlerweile komplett verschwunden.

Könnte Omikron weiter mutieren?

Ja, sie verändert sich weiter. So wurde bereits ein Subtyp BA.4 nachgewiesen. Laut Tulio de Oliveira, dem Direktor des Centre for Epidemic Response and Innovation in Südafrika, das Omikron erstmals nachgewiesen hatte, in Südafrika, Botswana, Belgien, Dänemark, Deutschland und Großbritannien. In Belgien gelang das dem Virologen Marc Van Ranst von der Katholischen Universität Löwen. Ihn zitiert die dortige Nachrichtenagentur Belga mit den Worten: „Lieber eine neue Variante von Omikron als eine ganz neue Variante.“ Denn alles deutet darauf hin, dass auch alle neuen Omikron-Sublinien für einen milden Verlauf sorgen.

Drohen weitere Mutationen?

In Südafrika und Botswana wurde laut Weltgesundheitsorganisation zudem BA.5 nachgewiesen. Und in Großbritannien ist zudem eine Variante entdeckt worden, die XE getauft wurde und quasi eine Mischung aus BA.1 und BA.2, wobei der größere Teil von BA.2 stammt, sein soll. Weshalb sie auch als Unterart von BA.2 angesehen wird. Laut ersten Daten soll sie sich noch einmal um zehn Prozent besser verbreiten können als das pure BA.2-Virus.

Ist ein Deltakron möglich?

Die von einigen Experten befürchtete Mischung aus Omikron und Delta, Deltakron genannt, ist zwar in Einzelfällen aufgetaucht, scheint sich aber angesichts der vielen besonders ansteckenden Varianten nicht durchsetzen zu können. Wie es mit dem Coronavirus weitergeht, ist aber offen. Ebenso übrigens, ob daraus eine Killervariante wird.

Gibt es noch Booster-Bedarf?

Allein mit Moderna aber hätte man, Bestand plus neuer Lieferungen, im ersten Quartal rund 109 Millionen Booster verabreichen können. Booster, weil bei Moderna eine Dosis nur bei der Erst- und Zweitimpfung eine Dosis ist, beim Boostern aber reicht eine halbe Dosis. Hinzu kamen an die 43 Millionen Biontech-Dosen für Erwachsene und sieben Millionen für Kinder. Laut RKI wurden im ersten Quartal aber gerade 1,8 Millionen Erstimpfungen durchgeführt – Booster gab es gut 16 Millionen.

Deutschland sitzt also auf Impfdosen im Milliardenwert. Eine Dosis Biontech kostet angeblich 19 Euro, bei Moderna sollen es Medienberichten zufolge 21,50 Euro sein. Mehr als sechs Milliarden Euro sind in diesem Jahr für Vakzin-Einkäufe eingeplant. Lauterbach kündigte an, dass diese auf die Omikron-Variante angepasst werden sollen. Insgesamt, so Lauterbachs Ministerium, wurden zwischen 2021 und 2023 insgesamt 677 Millionen Impfstoffdosen für Deutschland bestellt, bisher wurden hierzulande 172 Millionen tatsächlich verwendet.

Ist die vierte Impfung nötig?

Selbst wenn sich die mehr als 300 000 ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland, die in großen Teilen ungeimpft, teilweise aber auch mit einem in der EU nicht zugelassenen Vakzin immunisiert sind, jetzt schnell impfen lassen würden, dürfte das die Vorräte kaum leeren. Da muss es nicht verwundern, dass sich Lauterbach jetzt im Gegensatz zur bisher gültigen Empfehlung der Ständigen Impfkommission und zur Meinung diverser Experten für eine vierte Corona-Impfung bei allen Menschen ab 60 Jahren einsetzt. Derzeit gebe es viel Impfstoff in der EU, der nirgendwo fehle. „Somit müssen wir befürchten, dass in Europa Impfstoff vernichtet werden muss.“

Kommen neue Vakzine im Herbst?

Das Thema Impfpflicht steht – je nach Lage – vielleicht wieder im Herbst zur Debatte. Aber dann sind unzählige Impfdosen bereits verfallen. Zudem werden nach längerer Verspätung für den Herbst nun doch noch an neue Varianten angepasste Impfstoffe erwartet. Laut Minister Karl Lauterbach ist dann von Biontech ein reines Omikron-Vakzin und von Moderna eine Kombination aus Omikron und bisherigem Impfstoff zu erwarten. Wer würde sich da von den Impfwilligen noch ein altes Vakzin, selbst wenn es nicht abgelaufen wäre, verabreichen lassen? Auf jeden Fall versichert der Minister: Auch von den neuen Impfstoffen habe man sich große Kontingente gesichert.