Manche Beschäftigte haben sich von dem Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst noch mehr erhofft. Foto: dpa/Carsten Koall

Die Schlichterempfehlung für den öffentlichen Dienst hat im Lager der Arbeitnehmer und der kommunalen Arbeitgeber ein zwiespältiges Echo ausgelöst. Speziell die Gewerkschaften müssen der Basis nun die Vorteile nahebringen.

Die Verantwortlichen der Gewerkschaften müssen gerade enorm viel erklären. Intensiv rechnen sie der Basis vor, wie sich die Schlichterempfehlung für den öffentlichen Dienst im Detail auswirken würde. Das Anliegen ist unverkennbar: In der Schlichtungskommission haben sie zugestimmt und müssen jetzt hoffen, dass der Schiedsspruch am Wochenende in einen Tarifabschluss umgewandelt wird – ein Scheitern könnte sonst auf die Gewerkschaftsführungen zurückfallen.

Die Stimmung der Basis ist gemischt: Die eine Hälfte findet den Schlichterspruch in Ordnung, die andere grollt noch aus Enttäuschung. Dass er bei vielen nicht gut ankommt, beweist ein Blick auf die teils bissigen Facebook-Kommentare. Einen regelrechten „Shitstorm“ will ein Funktionär dort erkannt haben.

Der Erfolg ist nicht für jeden gleich sichtbar

Den Verdi-Berechnungen zufolge bringt die Empfehlung im Schnitt einen monatlichen Zuwachs in den Lohntabellen von mehr als elf Prozent – von gut 16 Prozent für die unteren Entgeltstufen bis zu acht Prozent ganz oben. Zumindest für den gering bezahlten Teil der Arbeitnehmer würde damit die Teuerung ausgeglichen. Hinzu käme die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro: mit einer Sonderzahlung von 1240 Euro im Juni sowie monatlichen Beträgen von 220 Euro von Juli bis Februar 2024.

Viele Mitglieder stören sich offenbar am schwer verständlichen Sockelbetrag von 200 Euro pro Monat, auf den noch 5,5 Prozent oben drauf kommen. Mindestens 340 Euro würde der Zuwachs demnach betragen – die mittleren und oberen Entgeltgruppen würden sogar auf mehr als 400 Euro kommen. Diese hohe Hürde zu überspringen soll sich Verdi als internes Ziel gesetzt haben – so wird der Erfolg jetzt nicht für jeden gleich sichtbar.

Verdi versucht, die Bedenken mit konkreten Beispielen zu zerstreuen: Demnach würde ein Müllwerker in der Entgeltgruppe 3, Stufe 3 ein monatliches Plus von 357,3 Euro (13,4 Prozent) erhalten. Ein Verwaltungsangestellter in der EG 6, Stufe 5 käme auf 389,79 Euro (12 Prozent). Eine Erzieherin würde in der S8a, Stufe 6 ein Plus von 429,9 Euro (10,8 Prozent) im Monat erzielen – und eine Pflegefachkraft in der P8, Stufe 4 sogar 400,66 Euro (11,6 Prozent). Gerade im wichtigen Pflegebereich ist im zweiten Jahr ein Zuwachs zwischen 420 und 500 Euro möglich. Ähnliches gilt im Tarifvertrag Versorgungsbetriebe, etwa für Stadtwerke.

Gefahr des endgültigen Scheiterns

Kontrovers diskutiert wird auch im Lager der kommunalen Arbeitgeber, ohne dass dies nach draußen dringt. Bekannt ist, dass zwei ihrer Abgesandten in der Schlichtungskommission der Empfehlung nicht zugestimmt haben. Eine große Gefahr besteht nun darin, dass sich hier wie da nun die Ansicht breitmacht, da ließe sich in Potsdam noch vieles in die eine oder andere Richtung verschieben. Dann könnte der große Knall, das endgültige Aus, kommen. Denn dies ist ja das Wesen eines Schlichterspruchs: die Lasten so zu verteilen, dass beide Seiten sich gut überlegen müssen, ob es sich rentiert, noch mal in die Auseinandersetzung zu gehen.

Zudem sitzt Verdi nicht allein am Verhandlungstisch. Da ist etwa noch der Beamtenbund, und dessen Mitglieder scheuen den unbefristeten Streik womöglich noch mehr. Im Arbeitskampf keine oder eine nur geringe Verbesserung gegenüber dem Schiedsspruch zu erzielen, „das wäre die Vollkatastrophe“, meint ein Verantwortlicher. Er finde das Ergebnis sinnvoll und sachgerecht. Dass er sich damit – wie alle anderen Gewerkschafter – nicht offiziell zitieren lässt, hat mit der Vereinbarung der Tarifparteien zu tun, dass der Schiedsspruch vor den neuen Verhandlungen nicht öffentlich zerredet werden soll.

Beim Beamtenbund stört man sich auch daran, dass die Versorgungsempfänger bei der Inflationsprämie ausgenommen werden sollen – ähnlich wie bei der Corona-Sonderprämie in Baden-Württemberg. Aktuell beträfe es zwar nur relativ wenige Pensionäre des Bundes, doch könnte dies als Signal an die nächste Tarifrunde der Länder verstanden werden, bei dieser Gruppe erneut zu sparen. Der massive Zorn der Versorgungsempfänger wäre dem Beamtenbund dann gewiss.