Trost von der Parteifreundin Franziska Brantner (rechts): Für Theresia Bauer hat es in Heidelberg nicht an die Rathausspitze gereicht. Foto: dpa/Uwe Anspach

Eigentlich ist Baden-Württemberg „durchgrünt“. Der Ministerpräsident ist ein Grüner, in vielen Gemeinderäten dominieren die Grünen. Dennoch schaffen es aber nur wenige an die Rathausspitze.

Die Kandidatin war prominent, sie hatte als Ministerin Erfahrung wie man eine Verwaltung führt, trotzdem konnten die Grünen auch mit Theresia Bauer das Heidelberger Rathaus nicht erobern. Können die Grünen nicht Bürgermeister? Diese Frage stellt sich der Partei in Baden-Württemberg wieder einmal.

Baden-Württemberg gilt als Grünenhochburg seit Winfried Kretschmann 2011 Ministerpräsident geworden ist. Doch in den 1101 Gemeinden im Land kommt die Kretschmann-Partei gerade mal auf sechs Bürgermeister und drei Oberbürgermeister, inklusive des mit seiner Partei über Kreuz liegenden Tübinger OB Boris Palmer. In Konstanz und Freiburg wurden die Amtsinhaber abgewählt, in Stuttgart konnte das Rathaus nach dem Abgang von Fritz Kuhn nicht verteidigt werden.

Mehr grüne Rathauschefs in Bayern und NRW

Teilweise stehen Bayern und Nordrhein-Westfalen besser da, muss die Grünen-Co-Landeschefin Lena Schwelling einräumen. Dort werden aber Bürgermeister und Gemeinderäte gemeinsam gewählt. Das möge Vorteile haben, eine Angleichung der Systeme lehnt Schwelling dennoch ab. Das schwäche die besondere Stellung des baden-württembergischen Bürgermeisters.

„Wir wollen die Rathäuser erobern“, hat gerade sie sich mit ihrer Partei vorgenommen. „Natürlich ist es ein Dämpfer, wenn es dann in einer Stadt wie Heidelberg nicht klappt“, sagt Schwelling. „Aber wir lernen aus jeder Niederlage und lassen uns nicht entmutigen“. Jetzt geht die Partei die Sache strategisch an. Das Problem: Jede Stadt ist anders.

Die Lehre aus Heidelberg ist für Schwelling: „Man kann nicht in kurzer Zeit eine Wechselstimmung erzeugen“. Man müsse vielmehr in der Bürgerschaft frühzeitig Bündnisse bilden und vor allem mobilisieren. Das aus Grünensicht desaströse Ergebnis in Stuttgart zeigt der Parteichefin, „wir müssen konsequent Findungskommissionen einrichten und erst dann in die Öffentlichkeit gehen, wenn wir uns auf einen Kandidatenvorschlag geeinigt hat“.

Nachwuchs ist knapp

Dass die Grünen Rathäuser nicht können, lässt Schwelling nicht gelten. „Die Grünen haben es bisher nicht hinreichend systematisch versucht“, sagt sie. Es gibt auch ein Personalproblem. Bei der baden-württembergischen SPD suchen aufstrebende Jusos ihr Karriereheil mangels Alternative in den Rathäusern und haben damit nicht selten Erfolg. Bei den Grünen seien viele Nachwuchskräfte in den Ministerien gebunden, sagt ein führender Grüner.

Grüne haben Nachholbedarf

„Die Grünen sind im kommunalpolitischen Wettbewerb eine verspätete Partei“, analysiert Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung. „Erst seit der Landtagswahl 2011 sind sie im Land als Vollsortimenter anerkannt.“

Jetzt müssten sie aufholen und „Ressourcen ins Coaching stecken“, rät Wehner. Denn allen voran gehe es um die Person der Kandidaten. „Bürgermeister ist in Baden-Württemberg ein präsidentielles Amt“. Auf diesen Weg hat sich die Partei gemacht. Künftig wollen die Landesgrünen systematisch ausloten, wo Kandidaturen aussichtsreich sind. Als Kriterien nennt Schwelling: Sitzt der Amtsinhaber fest im Sattel? Gibt es genügend Mitglieder, die den Wahlkampf bestreiten, wie sehen die Grünen Wahlergebnisse vor Ort aus? Es soll Kandidatenschulungen geben, ebenso wie ein Handbuch, worauf es bei Kandidaturen ankommt. „Wir werden noch einige Niederlagen hinnehmen müssen. Aber wir versuchen, alles möglich zu machen, damit die Chancen so gut wie möglich sind“, meint Schwelling.

In den Gemeinderäten im Land ist die Partei nicht schlecht vertreten. Zurzeit bereitet die Partei mit voller Kraft die Kommunalwahlen im Jahr 2024 vor. „Wenn immer mehr Grüne in den Gemeinderäten sitzen, kann daraus leichter eine kommunalpolitische Spitze erwachsen“, hofft die Co-Chefin.

Vereinzelt gibt es Gewinner

Manchmal gewinnen Grüne auch. Zum Beispiel in Göppingen. Da hat vor zwei Jahren Alexander Maier den Amtsinhaber aus dem Sessel gekegelt. Für ihn ist ausschlaggebend: „Man muss die Kandidatur authentisch rüberbringen“. Der 31-Jährige, der Landtagsabgeordneter und Göppinger Gemeinderat war, sieht auch historische Gründe für die Zurückhaltung seiner Parteifreunde: „Man muss das Amt und die Macht wollen. Bei den meisten Grünen war Macht nicht der ausschlaggebende Punkt um in die Partei zu gehen.“

Das Amt ist aufreibend, „man hat keine ruhige Minute mehr“, berichtet Maier, aber er lobt wie Schwelling die Gestaltungsmöglichkeiten. „Von so viel Gestaltungsspielraum kann Winfried Kretschmann nur träumen“, betont Schwelling. Die Partei jedenfalls werde nicht müde, Kandidaten zu motivieren und zu schulen. „Mit jeder Wahl, bei der wir antreten, wird es selbstverständlicher dass Grüne an die Rathausspitzen wollen.“