Von Minuszinsen wird Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht mehr lange profitieren. Foto: dpa/Britta Pedersen

Für den Staat zeichnen sich schon jetzt steigende Finanzierungskosten ab. Der Chefvolkswirt der LBBW hat deshalb einen Rat an den Bund.

Frankfurt - Nach der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) wettet eine wachsende Zahl von Anlegern auf eine baldige Zinserhöhung. Die Kurse am Geldmarkt signalisierten einen ersten Schritt im Juni, berichtete am Freitag die Nachrichtenagentur Reuters. Zudem stieg die Rendite fünfjähriger Bundesanleihen erstmals seit vier Jahren über die Marke von null Prozent. Für den Bund endet damit eine goldene Ära: In den vergangenen Jahren konnte er sich zu Minuszinsen finanzieren. Anders ausgedrückt: Investoren liehen dem Staat mehr Geld, als er am Ende zurückzahlen muss.

Kraemer empfiehlt hundertjährige Anleihen

Nach Ansicht von Moritz Kraemer, dem Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg, sollte sich der Bund seine immer noch attraktiven Finanzierungskosten langfristig sichern. Kraemer empfiehlt, die Laufzeit von Staatsanleihen zu verlängern. „Österreich, Belgien oder Irland haben Jahrhundertanleihen begeben“, schrieb Kraemer kürzlich in seiner wöchentlichen Kolumne.

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Bislang gibt es Bundesanleihen maximal mit einer Laufzeit von 30 Jahren. Diese wurden zuletzt verstärkt genutzt, um frisches Kapital an den Märkten aufzunehmen. Zu der Frage, ob für die Zukunft auch Anleihen mit längeren Laufzeiten erwogen würden, wollte sich das Finanzministerium nicht äußern.

Jens Boysen-Hogrefe, Experte für Öffentliche Finanzen am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, hält hundertjährige Bundesanleihen „klein dosiert“ durchaus für bedenkenswert. Wenn der Staat allerdings größere Mengen derart lang laufender Anleihen begebe, entstünden für die Käufer erhebliche Risiken, meint Boysen-Hogrefe. Denn je länger die Laufzeit einer Anleihe, desto größer ist das Risiko von Kursschwankungen. Auch das lasse sich am Beispiel der hundertjährigen Staatsanleihen Österreichs ablesen.

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Da Staatsanleihen vornehmlich von Banken und Versicherungen gehalten werden, könnten aus derartigen Kursschwankungen schlimmstenfalls Risiken für das gesamte Finanzsystem entstehen, so Boysen-Hogrefe. „Der Staat hat auch eine Verantwortung für die Finanzstabilität“.