Am 5. März war Bonobo-Baby Kasita in der Wilhelma zur Welt gekommen. Es lebte nur ein halbes Jahr. Foto: Wilhelma/Birger Meierjohann

Nach dem Tod des Menschenaffenkindes Kasita überlegt Zoodirektor Thomas Kölpin mit Pflegern und Experten, wie es mit der Affenmutter Chipita weitergeht.

Am 9. September ist in der Wilhelma das gerade erst sechs Monate alte Bonobo-Baby Kasita in den Armen seiner Mutter Chipita gestorben. Die Trauer über den Tod des kleinen Affenkindes war und ist groß. Der Zoo hat nach den Ursachen geforscht. So hatten Untersuchungen der Muttermilch ergeben, dass diese fast frei von Nährstoffen war. Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin erklärt auf Nachfrage, dass der Zoo nun zusammen mit den Pflegerinnen und Pflegern sowie den Verantwortlichen beim Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) über Konsequenzen berate. Das Muttertier hatte zuletzt vor 20 Jahren ein Jungtier, nämlich Kasai, großgezogen. Danach hatte es kein Kind mehr bekommen. Zudem: „Sie hatte ein paar Fehlgeburten“, sagt Kölpin. Das sei nicht optimal gewesen. Deshalb werde nun beraten, wie man mit der Situation weiter umgehe.

Überlegung, Chipita aus der Zucht zu nehmen

Genau werde man die Ursache nicht mehr herausfinden, ob sich die Muttermilch im Laufe der sechs Monate geändert habe. Das Jungtier habe immer einen guten Eindruck gemacht. Die Pfleger hätten es nicht abschätzen können. Es sei sehr tragisch und eine schwierige Situation, so Kölpin. Solche Fälle mit der Milchzusammensetzung seien nicht bekannt. „Bei den Bonobos kennen wir keinen vergleichbaren Fall“, so Kölpin.

Würde wieder so eine Situation auftreten, bestünde die Gefahr einer Handaufzucht, dass also das Tier aus dem Verband herausgenommen werde und dann nicht mehr integriert werden könne. Deshalb werde nun überlegt, der Mutter Chipita die Pille zu geben und sie mit der medizinischen Empfängnisverhütung aus der Zucht herauszunehmen. Es solle eine Entscheidung getroffen werden, die gut fürs Tier sei. „Die Gesundheit des Tieres steht im Fokus“, so Kölpin.

Bonobo-Mutter hat drei Kinder zur Welt gebracht

Chipita, die den Angaben zufolge 31 Jahre alt ist, sei auch schon in einem fortgeschrittenen Alter. Menschenaffen seien länger fruchtbar als der Mensch. Deshalb gebe es bei Menschenaffen auch greise Mütter. Chipita ist sogar Urgroßmutter. Sie hatte Kasita am 5. März zur Welt gebracht, ihr drittes Baby. Ihr erster Nachwuchs war 2001 die in der Wilhelma geborene Mixi, die seit 2011 im Zoo Frankfurt lebt und schon dreimal Mutter geworden ist. Der zweite Nachkömmling ist Kasai, der seit seiner Geburt 2004 in der Wilhelma lebt und mehrfacher Vater und zweifacher Großvater ist.

Chipita hat eine bewegte Geschichte

Chipita selbst hat nach Angaben der Wilhelma eine bewegte Geschichte hinter sich, deren Anfänge im Dunkeln liegen: Im Februar 1996 wurde sie im Alter von drei Jahren von Unbekannten in einer Kiste vor dem Eingang des Zoos von Lissabon abgestellt. Man vermutet, dass sie über Angola nach Portugal geschmuggelt worden war. Da kein portugiesischer Zoo Bonobos hält, kam Chipita auf Empfehlung des Zuchtbuchführers des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) in die Wilhelma – wo sie sich bestens einlebte. Nach dem Tod des Bonobo-Babys hatte die Tierrechtsorganisation Peta die Haltung von Affen in Zoogefangenschaft kritisiert, bei der es immer wieder zu plötzlichen Todesfällen, Verhaltensstörungen und anderen Krankheiten käme.

Kaum Forschungen über Bonobo-Muttermilch

Forschungen über Bonobo-Muttermilch gibt es bislang kaum. Darauf verweist auch eine Wissenschaftlerin vom Deutschen Primatenzentrum, dem Leibniz-Institut für Primatenforschung mit Sitz in Göttingen (Niedersachsen). Was die Analyse von Bonobo-Milch betrifft, gebe es bislang kaum wissenschaftliche Untersuchungen, lediglich zwei bis drei Proben, die analysiert worden sind. Generell sei bei Menschenaffen zu dieser Thematik wenig bekannt. Bei anderen Primaten, wie beispielsweise beim Menschen, sowie bei Säugetieren im Allgemeinen, verändere sich die Zusammensetzung der Milch typischerweise im Verlauf der Laktation – also der Milchabgabe.

Bei einzelnen Weißbüschelaffen-Weibchen variierte die Milch

Der Forscher Michael L. Macht von der Abteilung für Naturschutzbiologie im National Zoological Park, Smithsonian Institution, in Washington, District of Columbia, schrieb 2002 im „American Journal of Primatology“ über eine Muttermilch-Studie unter anderem bei Weißbüschelaffen: „Die Milchzusammensetzung variierte jedoch erheblich zwischen den einzelnen Weißbüschelaffen-Weibchen, insbesondere im Verhältnis der Milchenergie aus Fett.“

Bonobos sind nach Angaben des WWF eine stark gefährdete Art. Sie stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN). Bonobos sind mit den Schimpansen die nächsten lebenden Verwandten des Menschen.