Nach dem Bruch der Ampelkoalition versucht die restliche Regierung, Mehrheiten für letzte Projekte zu finden. Foto: dpa/Fabian Sommer

Vor der Auflösung des Bundestags will die restliche Regierung jetzt noch einige Vorhaben durchbringen. Welche davon gelingen könnten – und welche nicht.

Fertig war die Ampelkoalition eigentlich noch nicht. Doch viele ihrer Vorhaben sind durch den Bruch des Regierungsbündnisses gescheitert. Für einige Projekte hoffen SPD und Grüne aber noch auf Mehrheiten. Um welche Vorhaben es geht und wie die Aussichten stehen: ein Überblick.

Ausgleich der Kalten Progression

Für FDP-Chef Christian Lindner war es als Finanzminister immer ein zentrales Anliegen: der Ausgleich der Kalten Progression. Sie ist eine Art schleichende Steuererhöhung. Das passiert, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Der Kanzler hat deutlich gemacht, dass er den Ausgleich der Kalten Progression noch beschlossen sehen möchte. Das würde vielen schon deshalb helfen, weil steigende Sozialbeiträge zu erwarten sind. Da die FDP immer für den Ausgleich der Kalten Progression geworben hat, ist zu erwarten, dass sie sie auch aus der Opposition heraus abnicken wird.

Schutz des Verfassungsgerichts

Als wichtigstes, aber auch sicherstes Projekt gilt das Gesetzesvorhaben zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts. Dafür braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, die es voraussichtlich weiterhin gibt. Anfang Oktober brachten SPD, Union, Grüne und FDP dazu einen gemeinsamen Antrag in den Bundestag ein. Es geht vor allem darum, die Struktur des Bundesverfassungsgerichts künftig im Grundgesetz festzuhalten. Aktuell ist sie dort nur grob skizziert. Das macht das Gericht leicht angreifbar, theoretisch könnte man die Struktur mit einer einfachen Mehrheit im Parlament ändern. „Der Druck auf liberale Demokratien ist weltweit hoch, und auch in Deutschland gibt es eine reale Gefahr, dass antidemokratische Parteien versuchen, die Gewaltenteilung zu zerstören und staatliche Institutionen zu zerrütten“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz (Grüne), dieser Redaktion. „Es ist wichtig, dass es den demokratischen Fraktionen gelingt, den gut ausgehandelten Konsens zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts jetzt auch zu beschließen.“

Deutschlandticket

Das Deutschlandticket gilt als eines der populärsten Projekte der Ampel. Doch es ist unklar, ob und in welcher Form es weitergeführt wird. Finanziert wird der Fahrschein für den Nah- und Regionalverkehr von Bund und Ländern. Bislang war verabredet, dass die übrig gebliebenen Mittel von 2023 für die Jahre 2024 und 2025 verwendet werden dürfen. Um es freizugeben, muss das sogenannte Regionalisierungsgesetz vom Bundestag angepasst werden. Derzeit äußern sich Union und FDP dazu eher ablehnend. Für 2025 hätte das keine unmittelbare Auswirkung. Die Preiserhöhung von 49 auf 58 Euro ab Januar haben die Länder bereits verabredet. Manche Landesverkehrsminister warnen allerdings, dass ohne Verabschiedung des Regionalisierungsgesetzes bald eine weitere Preiserhöhung nötig werden könnte.

Erhöhung des Kindergelds

Als es der Ampelkoalition im Sommer gerade noch so gelang, sich auf einen Beschluss zum Haushalt zu einigen, war darin vorgesehen, Kindergeld und Kinderzuschlag um fünf Euro im Monat zu erhöhen. Die Grünen hofften damals sogar noch, damit einen ersten Schritt der Kindergrundsicherung getan zu haben. Aber so weit kam es nie – und auch der Beschluss vom Sommer hält nicht mehr. Die FDP ist raus. Da sich CDU und CSU aber als Familienparteien verstehen, hoffen SPD und Grüne, dass die Unionsfraktion ihr Vorhaben unterstützen könnte. Ob das auch passieren wird, ist aber offen.

Rentenreform

Es war ein zentrales Versprechen von Olaf Scholz bei der Wahl 2021 – und so wird es vermutlich in diesem Wahlkampf wieder sein. Die SPD möchte das Rentenniveau dauerhaft stabilisieren: beim derzeitigen Stand von 48 Prozent. Das Rentenniveau ist ein statistischer Wert, der das Verhältnis der Rente eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren zum mittleren Lohn beschreibt. Anders ausgedrückt: Wenn die Löhne steigen, sollen auch weiter gleichermaßen die Renten steigen. Das ist in Zeiten des demografischen Wandels nur möglich, wenn die Beiträge steigen und der Staat mehr Geld zuschießt. FDP-Chef Lindner hatte der Reform im Kabinett zugestimmt, weil im Gegenzug ein Generationenkapital geschaffen werden sollte. Der Staat hätte dafür Geld geliehen, es in Aktien angelegt und mit den Gewinnen die Rente gestärkt. Der FDP-Fraktion war das mit Blick auf die Generationengerechtigkeit aber eigentlich zu wenig. Jetzt, da die Ampel gescheitert ist, wird die Reform nicht mehr kommen.