Fast 125 Jahre hat es den Liederkranz Endersbach gegeben. Jetzt ist er Geschichte – und ein Beispiel für das sich verändernde Chorwesen im Land.
Jetzt sei es vorbei. „Unser Verein ist aufgelöst“, sagt Renate Gröner über den Liederkranz Endersbach. Als Vorsitzende des Gesangvereins im Weinstädter Teilort hat sie dessen Liquidation angestoßen und bis zuletzt begleitet. „Man muss Mut haben zu sagen, jetzt geht es nicht mehr.“
Leicht sei ihr dieser Schritt nicht gefallen, damit an ihre Vereinskollegen heranzutreten. Auch eine Entscheidung von heute auf morgen sei es nicht gewesen. „Das war ein Prozess.“ Mehrere Jahre habe diese Entwicklung gedauert. „Man merkt, dass der Gesang nicht mehr so gut ist.“
Der Grund dafür sei die Altersstruktur des Chores gewesen. Mit Mitte 70 habe sie zu den Jüngeren der zuletzt 24 aktiven Mitglieder gehört. Die Ältesten seien bereits an die 90 Jahre alt. Insgesamt zählte der Verein schließlich 82 Mitglieder. Zu Hochzeiten waren es einst 200 und davon 70 Sänger aktiv. Drastisch gewandelt hat sich das Geschlechterverhältnis. Einst als reiner Männerchor im Jahr 1898 gegründet, der sich erst in den 1970ern für Frauen öffnete, sangen zuletzt nur noch vier Herren mit.
Vor allem für sie sei es „nicht ganz einfach“ gewesen, sich nun von einer Frau vorschlagen zu lassen, den Chor aufzulösen. Den Chor, in dem sie weit länger als ihr halbes Leben singen, teils mehr als sechs Jahrzehnte. „Das war bitter für sie.“
Doch, weil es am Sängernachwuchs fehlte, führte kein Weg daran vorbei. Durch die ältere, ausschließlich deutschsprachige Chorliteratur seien keine neuen Mitglieder nachgekommen, berichtet Gröner. Davon abrücken wollten die angestammten Sängerinnen und Sänger dennoch nicht. Derweil wirkte sich der Nachwuchsmangel nicht nur gesanglich aus, sondern auch finanziell. Als zusätzliche Einnahmequelle diente das Endersbacher Weinfest, das der im jährlichen Wechsel mit dem Harmonikaorchester Endersbach organisierte. Doch vier Tage am Stück mit Auf- und Abbau dafür zu arbeiten, sei für die zunehmend betagten Mitglieder zu viel geworden, erzählt Gröner.
Welche finanziellen Folgen hatte Corona für den Chor?
Bereits vor der Coronapandemie habe man sich daher aus der Organisation zurückgezogen. In der Folge schmolz das Vereinsvermögen dahin. „Anfang 2021 hat uns dann unser Dirigent verlassen.“ Zudem habe Corona dem Entscheidungsprozess zur Chorauflösung weiteren Vorschub geleistet. Im Frühjahr 2021 unterbreitete Gröner ihren Vereinskollegen erstmals den Vorschlag. Ein halbes Jahr später bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung rang man sich zu dem Beschluss durch, den Verein zum Jahresende 2022 aufzulösen, kurz vor dem 125-Jahr-Jubiläum, das am 9. Januar 2023 angestanden wäre. Nach einem weiteren Jahr, das die Liquidation in Anspruch nahm, seien dann von dem einstigen Vereinsleben nur noch Verwaltungsunterlagen übriggeblieben, die man dem Stadtarchivar von Weinstadt übergeben habe, und 5000 Euro Vereinsvermögen, die laut Satzung zweckgebunden ebenfalls an die Stadt gingen, zieht Gröner nüchtern Bilanz.
Was passiert mit dem Vereinsvermögen?
Das Geld bekam die Silcherschule, die damit nun im kommenden Schuljahr Musik- und Theaterpädagogen für ein großes musikalisches Projekt mit allen 350 Schülern zum Jubiläumsjahr „50 Jahre Weinstadt“ engagieren möchte. Ein weiterer Trost für die ehemaligen Vereinsmitglieder sind die regelmäßigen Treffen, zu denen sie nun statt der früheren Chorproben zusammenkommen.