Gene Simmons (li.) und Paul Stanley sind von Beginn an bei Kiss, der Rest der Band hat im Lauf der Jahre – auch mal im Streit – gewechselt. Foto: Arte/dpa Picture-Alliance/B. Pedersen

Im zweiteiligen Dokumentarfilm „Kiss – Die heißeste Band der Welt“ bei Arte erfährt man viel über große Egos, schrille Shows und die Fallen des Musikmarkts.

Die krasseste Rockband der Welt? Die härteste? Die einflussreichste? Man kann lange streiten, wer diese Titel jeweils verdient hat. Auch wenn Fans jener Gruppe, deren Karriere jetzt von Arte mit dem zweiteiligen Dokumentarfilm „Kiss – Die heißeste Band der Welt“ – 166 Minuten insgesamt – ausgeleuchtet wird, da keine Zweifel kennen.

Einen Orden aber darf man Kiss auf jeden Fall anheften, was einem aufgeht, wenn der Regisseur D. J. Viola Bilder von damals und heute immer wieder durcheinander serviert. Kiss, 1973 gegründet, sind die Rockband mit dem meisten Dusel. Als die vier Herren aus New York, deren Durchbruch in Detroit kam, sich einst so grelle Schminke auflegten, dass sie auf der Bühne wie Fabelwesen erschienen, dass sie in Zivil auf der Straße in den ersten Jahren nicht erkannt wurden und in den Medien ungeschminkt nie auftauchen wollten, war das bloß Kern der Show. Dass es den Gründungsveteranen Gene Simmons und Paul Stanley Jahrzehnte später helfen würde, eher wie ihre eigenen jungen Varianten auszusehen, als das anderen Rock-Oldies gelingt, war nicht bewusst geplant. Aber mancher andere Altrocker wirkt nur noch wie die Elektrokaminvariante des einstigen Höllenfeuers, Kiss bleiben viel näher dran.

Zerwürfnisse und Trennungen

Ein zweiter segensreicher Effekt der vergnüglichen Fratzen: Wechsel in der Besetzung fallen nicht so auf, Kiss sind sozusagen eine Idee geworden, die von wechselnden Menschen vertreten werden kann. Wie stürmisch es zuging in der Band, welche Spannungen es gab, welche Zerwürfnisse, Trennungen und Neuzugänge, erfährt man in dem im Original „Kisstory“ benannten Doppelfilm ziemlich ausführlich. Es gibt zwar eine warnende Texteinblendung, die sich auf den Sänger und Gitarristen sowie den Drummer der Aufstiegsjahre beziehen: „Ace Frehley und Peter Criss haben es abgelehnt, an diesem Film mitzuwirken, und teilen die hier geäußerten Ansichten nicht.“ Es ist aber keinesfalls so, dass sich Simmons und Stanley von aller Schuld freiwaschen dürfen.

Schnell wird klar, dass da große Egos aufeinandertrafen, dass die spektakuläre Bühnenshow von Kiss etwas ausdrückte – und bestärkte –, was in den Musikern angelegt war. Doch die ersten Jahre waren hart, die Band schrammte am völligen Scheitern entlang. Selbst das Label, das sie unter die Fittiche genommen hatte, war pleite. Daraus leiten die einen ab, dass man sich aggressiv vermarkten und auf den Rat von coolen Managern hören muss. Die anderen folgerten, dass sowieso nur konsequentes Rocken ohne Rücksicht auf den Popmarkt lohnt. D. J. Violas „Kiss“-Film ist zwar sehr detailreich, aber er erzählt so viel über die Spannungen zwischen Ego und Markt, dass man ihn selbst dann mit Gewinn schaut, wenn man Kiss nicht auf jeder Playlist hat.

Kiss – Die heißeste Band der Welt. Arte, Freitag, 22.05 Uhr, beide Teile hintereinander. Bereits in der Mediathek.