Aisata Blackman fegt als Tina Turner über die Bühne des Stage Apollo Theaters in Stuttgart. Foto: dpa/Christoph Schmidt

„Tina – Das Tina Turner Musical” erzählt im Apollo Theater die Geschichte eines Superstars und verwandelt sich in ein Konzert.

Einen langen Weg hat sie zurückgelegt. Er begann im Chor einer Baptistenkirche und führte sie auf die größten Konzertbühnen der Welt. „Tina – Das Tina Turner Musical“ erzählt diese Geschichte. Premiere feierte das Musical 2018 im Londoner West End, wird seit 2019 in Hamburg gespielt – nun ist es in Stuttgart angekommen und begeistert mit einem starkem Ensemble im Apollo Theater. Die Sängerin Aisata Blackman wird zu Tina Turner, singt ihre Songs mit großer Stimme und voller Energie, reißt den ausverkauften Saal im großen Finale der Show schließlich ganz mit.

Davor wechseln sich Spielszenen und Musik ab, wird auf Deutsch und Englisch gesungen, fliegen Bilder von Konzerten, Landschaften, Hotelzimmern vorbei, blickt das Publikum tief ins private Leben der Tina Turner hinein. Das Musical spart die Schattenseiten dieses Lebens nicht aus, erzählt auch von farbigen Musikern, die in den USA der 1960er Jahren kein Hotelbett finden, von Polizisten bedroht werden, einen Lynchmob fürchten müssen. Und es erzählt von Ike Turner, der Tina Turner – die mit richtigem Namen Anna Mae Bullock heißt – aufgabelt, sie zu seiner Frau und seinem Eigentum macht. Carlos de Vries spielt ihn in Stuttgart.

Von Nutbush in die weite Welt

Ganz am Anfang jedoch ist da Nutbush, eine Siedlung irgendwo in Tennessee. Beim Gottesdienst singt Anna Mae schon viel zu laut und wild, den Baptisten gefällt das nicht. Sinit und Lilli C. heißen die jungen Darstellerinnen, die Anna Mae und ihre Schwester Aline spielen. Das Ensemble tanzt und singt ein Spiritual – daraus wird „Nutbush City Limits“, ein großer Hit von Ike und Tina Turner, 1973, und es ist klar: In Nutbush wird Anna Mae nicht lange bleiben.

Ike Turner ist es, der ihr den neuen Namen gibt, der keinen Widersprich duldet, der sich für den König des Rock’n’Roll hält. Die Musik, sagt er, sei ihm das Wichtigste – und wenn Tina es nicht gut genug macht, dann holt er aus. Oder würgt sie, schleift sie durchs Zimmer. Auch dann, wenn ihn die Eifersucht packt. Schon 1958 ist Tina schwanger, aber nicht von Ike. Der Vater ihres Sohnes Craig ist Raymond Hill, Saxofonist in Ike Turners Band. Prince Orji gibt in dieser Rolle mit Aisata Blackman ein schönes Duett – und verschwindet anschließenden aus Tina Turners Leben.

Die „abgehalfterte Soul-Oma erfindet sich neu“

Die wilden 1970er Jahre sind da, Ike and Tina Turner singen „I want to take you higher”, bunte Muster fluten über die Bühne. Zuvor schon ist Tina im Studio mit Phil Spector (Dani Spampinato), der Ike vor die Tür schickt und ihrer Stimme den letzten Schliff gibt: Auch Aisata Blackman wächst bei „River Deep, Mountain High“ über sich hinaus. Als Tina sich dann zum ersten Mal gegen Ike wendet, wird bei der Vorpremiere am Dienstagabend schon einmal kurz applaudiert. Rhonda Graam (Martina Lechner), ihre Assistentin und Freundin, bleibt bei ihr, auch nach der Trennung. Viel später dann wird Tina Turner mit dem Kölner Musikmanager Erwin Bach (Florian Sigmund) ihre große Liebe finden – „Aber ich bin doch nur ein Marketingfuzzi“, stammelt er, nach dem ersten Kuss.

Der zweite Teil des Abends beginnt mit einer Tina Turner, die am Boden ist, aber nicht aufgeben will: Ike ist fort, hat die Rechte an den Songs, die beide sangen, mitgenommen. Der Manager von Capitol Records, ein Typ in Nadelstreifen, nennt sie eine „abgehalfterte Soul Oma“, oder, viel gröber noch, eine „abgefuckte alte Negerin“. Eine Weile noch, und Capitol wird Tina Turner Vorschüsse in Millionenhöhe bezahlen. Erst aber muss sie sich neu erfinden: „Eine neue Tina muss her“.

Das Publikum feiert mit

Das allerdings fällt ihr noch schwer. Aber sie weiß, was sie will, und wie sie es bekommt: „Vielleicht greif‘ ich nach den Sternen“, sagt sie frech, „aber ich hab‘ lange Beine!“ In den Hitparaden regiert das „Disco Inferno“, dann kommt der Sound der 1980er. Als Roger Davis (Max Posada), Manager von Olivia Newton-John und Tina Turners Fan, ihr ein Stück vorspielt, im neuen Sound, schüttelt sie sich: „Ich dachte, ich kriege eine richtige Band!“ Aber gerade dieser Song bringt ihr das große Comeback: „What’s Love got to do with it.“ Mit 45 Jahren wird Tina Turner zum Superstar der 1980er.

Und „Tina – Das Musical“ wandelt sich langsam zu einem Konzert. Bei „I can’t stand the Rain“, Tina Turners Version eines Soul-Hits von 1973, klatscht das Publikum schon im Takt – „Regen fällt wie Blei“, so heißt das Stück auf Deutsch. Noch einmal begegnet sie Ike Turner, am Krankenbett ihrer Mutter, aber lieber würde sie sich ins Grab legen, als mit ihm zu singen. Die Mutter indes beäugt die Frisur der Tochter misstrauisch – „Das trägt man heute so“, sagt die. „Das ist der Tina Turner-Look!“

Schon hört man den Puls des Schlagzeugs, die Gitarre, und die Spannung steigt – schließlich fällt der Vorhang, auf dem die Szenenbilder eines Lebens leuchten. Die Band steht nun auf der Bühne, spielt das große Finale, mit „The Best“ und noch einmal „Proud Mary“ und „Nutbush City Limit“ – und Asiata Blackman fegt im silbernen Paillettenkleid über die Bühne, Tina Turner ganz und gar.