Wird schon jemand wegräumen: Vor allem nach Wochenenden sind öffentliche Plätze vermüllt. Hier in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Überall dasselbe Bild: In der Region Stuttgart landet immer mehr Müll illegal im öffentlichen Raum. Die Kosten, um den Krempel wegzuräumen, steigen für die Allgemeinheit.

Dass seine Leute auf einem der Parkplätze im Industriegebiet in Bernhausen fündig werden, ist so gut wie ausgemacht, sagt Christian Maiwald. Das seien konstante Schwerpunkte. Dann müssen seine Leute einen Job erledigen, für den sich andere offensichtlich zu fein waren: die Hinterlassenschaften von Heißhungerattacken wegräumen oder anders ausgedrückt: Müll, den die Besitzer einfach zum Autofenster rausgeworfen haben. Christian Maiwald, der Leiter des Filderstädter Bauhofs, nennt diesen Unrat „Gesellschaftsmüll“. Und diese Verpackungen, Flaschen, Kaugummipapierchen oder Hundekotbeutel machen den Großteil des Müllproblems in der Stadt aus. Wild entsorgte Kühlschränke oder Matratzen seien auch ein Problem, aber ein vergleichsweise kleineres.

Ein Trend auch unabhängig von Corona

Maiwald hat 2019 in Filderstadt angefangen. Damals hatte er die Stadtreinigung neu organisiert – unter anderem wurde die Zahl der Mitarbeiter von drei auf sieben aufgestockt, also mehr als verdoppelt, sagt er. Gleichzeitig sei aber auch der Dreck, den die Kollegen für andere wegputzen müssen, mehr geworden. „Es mehrt sich trotzdem weiter“, sagt Maiwald. Dass die Coronapandemie und ihre Begleiterscheinungen die Städte und Gemeinden nicht gerade sauberer gemacht haben, ist inzwischen bekannt. Christian Maiwald vom Bauhof Filderstadt sagt, der Trend, seinen Krempel einfach an Ort und Stelle fallen zu lassen, habe seiner Ansicht nach auch unabhängig von Corona zugenommen.

Filderstadt ist nicht alleine mit der Beobachtung, dass die Menschen offenbar achtloser mit ihrem Müll umgehen. Das Landratsamt Böblingen hatte kürzlich eine Mitteilung versandt. Anlass war, dass jemand vor dem Ehninger Häckselplatz wilden Müll abgeladen hatte – unterhalb eines Schildes, das eben dies untersagt. Der Vorfall sei „ein im echten Wortsinn plakatives Beispiel für die kriminelle Energie, die in den Müllsündern steckt“, war in der Mitteilung zu lesen.

600 Meter lange Schlange voller Müllfahrzeuge

Insgesamt seien die illegal entsorgten Müllmengen in den vergangenen Jahren gestiegen, steht in der Mitteilung des Landratsamts Böblingen. Zwischen 2012 und 2021 habe sich das Aufkommen von 334 auf 666 Tonnen verdoppelt, „das entspricht beispielsweise einer 600 Meter langen Schlange voller Müllfahrzeuge“, heißt es. Insgesamt koste das die Allgemeinheit im Jahr eine halbe Million Euro. Was hier übrigens noch nicht eingerechnet sei: Kleinstmüll, auch Littering genannt, also eben Bonbonpapierchen, Zigarettenschachteln oder Kippenstummel.

Vom Landratsamt Esslingen sind ebenfalls steigende Zahlen zu vernehmen. „Im vergangenen Jahr sind im Landkreis Esslingen rund 213 Tonnen wilder Müll angefallen, im Jahr 2012 waren es 187 Tonnen“, teilt die Sprecherin auf Anfrage mit. „Die Kosten für die Entsorgung im Jahr 2021 lagen bei rund 157 000 Euro.“

Kleidercontainer ziehen Müll wie Magnet an

In Leinfelden-Echterdingen stellt sich die Lage erwartungsgemäß nicht reinlicher dar als in den anderen Bereichen. Was man hier vor Kurzem verändert habe, sagt der Ordnungsamtsleiter Gerd Maier: Man habe die Altkleidercontainer von öffentlichen Flächen verbannt. Sie hätten wilden Müll wie Magneten angezogen, berichtet er. Es habe Fälle gegeben, da seien „Pritschenwagen abgekippt“ worden, wie Maier sagt. „Das waren teils richtiggehende Wohnungsauflösungen.“ Und leider habe es nicht geklappt, dass die Container-Betreiber die Standorte sauber und müllfrei gehalten hätten, wie vereinbart, daher der Stopp. Gerd Maier macht seinen Job in Leinfelden-Echterdingen seit zwölf Jahren, wie er sagt. „Das mit dem Müll verstärkt sich“, sagt auch er.

Und wie wird eigentlich die Motivation der Stadtreiniger hochgehalten? Es muss doch frustrierend sein, tagtäglich zu sehen, wie sich Mitmenschen benehmen, wenn keiner hinguckt. Christian Maiwald vom Bauhof Filderstadt bestätigt diesen Eindruck. Um etwas Abwechslung reinzubringen, würden die Routen der Kollegen teils variiert. Ein weiteres Problem, das den Müllauflesern übrigens begegnet: Sie würden immer wieder von Passanten runtergeputzt, sagt Maiwald. „Weil die Leute einen Mitarbeiter der Stadt treffen.“ Da müsse sich der Kollege schon auch mal anhören, dass die höheren Kita-Gebühren doch eine Zumutung seien. Ein Dankeschön fürs Bücken komme indessen so gut wie nie.

Ein grassierendes Problem

Littering
Der englische Begriff meint Wegwerfen und beschreibt die Vermüllung des öffentlichen Raums durch achtloses Fallenlassen von Unrat. Das Umweltbundesamt weist darauf hin, dass dieser Trend ein grassierendes Problem sei und „erhebliche ökologische, ästhetische und ökonomische Folgen“ habe.

Studie
Eine deutschlandweite Onlinebefragung unter Expertinnen und Experten, beauftragt vom Umweltbundesamts, hatte 2020 ergeben, dass Littering in den vergangenen Jahren zugenommen habe. Unter den am häufigsten „gelitterten“ Abfallarten finden sich laut dieser Studie Kunststoff-/Verbundmaterialien (57 Prozent), Kunststoffabfälle (49 Prozent) sowie Sperrmüll (43 Prozent). ana