Einen Abriss der Moschee im Gewerbegebiet Oberaichen hält Michael Blume für falsch. Foto: Fritzsche & Imago/Achim Zweygarth

Die Nachricht, dass die Stadt Leinfelden-Echterdingen eine Moschee abreißen lassen will, bewegt viele. Wir haben Stimmen aus der Stadtgesellschaft eingesammelt.

Die Stadt Leinfelden-Echterdingen möchte, dass der muslimische Verein VKBI die neu gebaute, aber nicht fertiggestellte Moschee auf eigene Kosten abreißen lässt. Das hat in Stadt und Land für vielfältige Reaktionen gesorgt. Es ist die neueste Entwicklung in einem jahrelang schwelenden Streit. Grundstück und Gebäude gehören mittlerweile der Stadt.

Auch bei Lukas Balles ist die Diskussion angekommen. Er ist Pfarrer der evangelischen Dreifaltigkeitskirche in Musberg und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) in Leinfelden-Echterdingen.„Als Kirchen in Leinfelden-Echterdingen stehen wir an der Seite der Stadt, wenn es darum geht, den demokratischen Rechtsstaat durchzusetzen und Vereinbarungen einzufordern“, sagt er. „Selbst Muslime sagen mir, sie finden es richtig, dass man hier nicht seine eigenen Regeln setzen und durchsetzen kann, sondern sich an die Spielregeln halten muss, die für alle gelten.“ Allerdings, fügt er an, „als Kirchen stehen wir auch an der Seite der Muslime, wenn es darum geht, dem menschlichen Grundbedürfnis nach Religion Raum zu geben und wenn es darum geht, die gesellschaftliche Anerkennung von Religion zu stärken.“

Die Muslime bräuchten einen ordentlichen Gebetsraum: „Eine Hinterhof-Moschee schürt gerade das Klima, das wir nicht wollen als Gesellschaft.“ Balles meint, die Stadt solle nun ein positives Signal senden und den Muslimen in der Stadt eine alternative Räumlichkeit anbieten. „Was uns mit manchen Muslimen eint, ist, dass Religion nicht nur Privatsache im stillen Kämmerlein sein soll und kann, sondern ans Licht der Öffentlichkeit gehört. Religiöse Fragen müssen in der Öffentlichkeit besprochen und kritisch diskutiert werden. Manche religiösen Akteure wollen sich diesem Diskurs entziehen – das ist problematisch.“

Pfarrer Balles: Stadt soll Muslimen Alternative anbieten

Moschee als Symbol

Das unfertige Gebäude im Gewerbegebiet Oberaichen sei ein Symbol, sagt Lukas Balles, „aber in beide Richtungen“: „Der Abriss wäre vielleicht ein Symbol für gescheiterte Kommunikation mit einem muslimischen Verband, und für die Muslime fühlt es sich wie die Ablehnung ihres Glaubens durch die öffentliche Hand an“, führt er aus. „Das ist es aber in dieser Sache de facto nicht, sondern eine primär wirtschaftliche Entscheidung und der Nachweis, dass Vertrauen auch verloren gehen kann.“ Es sei aber auch ein Symbol dafür, „dass der Rechtsstaat sich zur Wehr setzen kann und Willkür keine Chance hat. Das finde ich positiv“, so Lukas Balles. Er könne hinter der Entscheidung der Stadt stehen – auch wenn es kirchenintern Diskussionen dazu gebe: „Aber genau das macht Religion in einer Demokratie eben aus.“

Verdat Yörük ist der Vorsitzende des Vereins LE Kultur-Point, der sich in Leinfelden-Echterdingen für das friedliche Miteinander verschiedener Kulturen, Nationalitäten und Religionen einsetzt – mithilfe des Dialogs, des Austauschs. Der Verein steht der Gülen-Bewegung um den 2024 verstorbenen islamischen Geistlichen Fethullah Gülen nahe.

„Es kann sein, dass Fehler auf Seiten der Muslime gemacht worden sind, die Stadt hat in vielen Punkten Recht“, sagt Yörük. „Aber es wäre ein sehr großer Rückfall in unserer Integrationsarbeit, wenn es wirklich zum Abriss der Moschee käme, es würde viel zunichte machen.“ Man werde denken, dass die Stadt etwas gegen Muslime habe – „und dann müssen wir jahrelang arbeiten, um diese Meinung wieder wegzukriegen“, sorgt er sich. Er möchte direkt mit dem Oberbürgermeister Otto Ruppaner über diese Sorgen sprechen, sagt er. „Ich weiß aktuell auch nicht, welchen Kompromiss es geben kann, aber es muss einen geben.“

Dialog der Verantwortung angemahnt

Ähnliche Sorgen macht sich Michael Blume: Der Religions- und Politikwissenschaftler ist Antisemitismusbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung und beschäftigt sich schon lange mit dem christlich-islamischen Dialog. „Ich fürchte, dass in der derzeitigen Weltlage Bilder vom Abriss einer fast fertigen Moschee von Radikalen aller Seiten zur weiteren digitalen und internationalen Polarisierung der Menschen missbraucht werden. Gerade weil wir Deutschen uns doch so gerne als gereifte Demokratie verstehen, wünsche ich mir mehr Dialog der Verantwortung zwischen Mehrheiten und Minderheiten.“

Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung. Foto: Imago/Achim Zweygarth

Blume erzählt, dass der VIKZ (Verband Islamischer Kulturzentren) ihn bereits 2018 um eine Streitschlichtung zwischen Stadt und Moscheegemeinde gebeten habe. „Leider hatte Leinfelden-Echterdingen damals jedoch kein Interesse daran gezeigt.“ Blume schlägt auch aktuell eine Vermittlung zwischen den beteiligten Parteien vor, um eine Lösung zu finden.