Die 10,5 Meter hohe und 32 Tonnen schwere Figur der Germania thront auf dem Sockel des Niederwalddenkmals. Trotz beeindruckender Lebensleistung haben es nur wenige Herrscherinnen, Forscherinnen, Politikerinnen oder Künstlerinnen auf einen Sockel geschafft. Foto: dpa/Arne Dedert

Seit jeher werden bedeutenden Männern Denkmäler gesetzt. Doch Herrscherinnen, Forscherinnen, Politikerinnen oder Künstlerinnen sind beinahe unsichtbar. Einige Initiativen wollen das ändern.

Oldenburg/New York - Sie sind die Unsichtbaren: In allen Jahrhunderten haben Frauen in Deutschland Geschichte geprägt, doch kaum einer von ihnen wurde ein Denkmal gesetzt. Das Stadtbild prägen vielerorts Monumente von Männern: Kaiser Friedrich III., Kaiser Wilhelm I., Reichskanzler Otto von Bismarck, die Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Mittel zur Selbstvergewisserung

„Die sogenannten Nationaldenkmäler sollten nach der Reichsgründung im Jahr 1871 als Mittel zur Selbstvergewisserung der Deutschen dienen“, sagt die Historikerin Ute Scherb aus Offenburg in Baden-Württemberg. Auf den Sockel schafften es Frauen damals in der Regel nur in Form von Allegorien – zum Beispiel Germania als Darstellung des Reiches oder Victoria auf der Berliner Siegessäule, die den Sieg über Frankreich verkörpert.

150 Jahre später ist es um die öffentliche Erinnerung an Frauen, die in Politik, Kultur und Gesellschaft etwas bewegten, nicht viel besser bestellt. Aber es gibt Versuche, sie sichtbarer zu machen. Derzeit coronabedingt oft nur virtuell: Das Netzwerk „Frauen und Geschichte Baden-Württemberg“ etwa erinnert in der Internet-Rubrik „Denktage“ an engagierte Frauen, die „leider noch nicht in Geschichtsbüchern auftauchen“, wie Scherb sagt.

„Frauenorte“

In Niedersachsen sind in den vergangenen zwölf Jahren 42 Frauenorte entstanden, fünf weitere sollen 2021 folgen. So geht es beispielsweise in Oldenburg um Helene Lange (1848-1930). Für die Frauenrechtlerin und Pädagogin entstand 1995 sogar eine Bronze-Büste im Park am zentral gelegenen Cäcilienplatz.

Andernorts erinnern an bedeutende Frauen bestenfalls Gedenktafeln, viele waren lange komplett vergessen. Sachsen-Anhalt sei im Jahr 2000 als erstes Bundesland mit Frauenorten gestartet, berichtet Heidi Linder, die beim niedersächsischen Landesfrauenrat das Projekt koordiniert. Frauenorte gebe es inzwischen auch in Brandenburg, Sachsen, Hamburg und Bremen.

Kontroverse um Medusa

In New York setzen sich Aktivistinnen ebenfalls für mehr Statuen historischer Frauen ein. Im August 2020 wurde im Central Park ein Bronze-Denkmal für drei Frauenrechtlerinnen aus dem 19. Jahrhundert aufgestellt. Bis dahin zeigten die Statuen in dem berühmten Park fast alle Männer - oder fiktionale Frauen wie die Titelfigur aus dem Buch „Alice im Wunderland“.

Im Oktober gab es eine kontroverse Diskussion um eine neue Medusa-Statue im südlichen Manhattan – nackt, mit Schwert in der einen und abgeschnittenem Kopf in der anderen Hand. Sie wurde laut ihrem Erschaffer Luciano Garbati als Symbol der #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Gewalt ausgewählt. Kritik gab es unter anderen daran, dass es sich um das Werk eines Mannes handelt.

Frauen als Faktor im Tourismus

Das Interesse, Lebenswege von Frauen zu entdecken, ist groß. Die niedersächsischen Frauenorte sind ein Faktor im Kulturtourismus. Eine neue Broschüre für Radfahrerinnen und Radfahrer entlang der Orte fand laut Heidi Linder im Sommer 2020 reißenden Absatz – wohl auch weil die Menschen während der Pandemie nach Aktivitäten in Deutschland suchen.

„Die Unsichtbare*“ heißt ein Kunstprojekt von Lisa Hrubesch in Nürnberg. Im Team unter anderem mit zwei Historikerinnen und einer Fotografin hat die Kulturwissenschaftlerin 20 Personen aus der Region ausgewählt. Für jede wurde eine Art Laudatio geschrieben, als hätte sie einen Preis gewonnen.

„Es sind Frauen aus unterschiedlichsten Epochen und Gesellschaftsschichten“, sagt die 31-Jährige. Auch eine transsexuelle Person sei darunter. Voraussichtlich im Frühjahr sollen 20 großformatige Fotos von Plätzen gezeigt werden, auf denen Denkmäler für die 20 Ausgewählten stehen könnten.

Auf Leerstellen aufmerksam machen

„Es geht darum, auf Leerstellen aufmerksam zu machen. Jahrhundertelang wurden Frauen nicht als handelnde Subjekte wahrgenommen und als Leistungsträgerinnen nicht gewürdigt – das hatte und hat noch immer Auswirkungen auf das heutige Frauenbild“, sagt Hrubesch. Aus Sicht der Initiatorin lohnt sich - vielleicht als Folgeprojekt – eine grundsätzliche Überlegung: „Was könnten zeitgenössische Formen für Personendenkmäler sein?“