Das Winzerdorf Mayschoß hat es bei der Flutkatastrophe schwer erwischt. Foto: Jörg

Gymnasiasten des Mörike fahren nach Mayschoß und befreien das Winzerdorf zwei Tage lang von Schutt und Schlamm nach der Flutkatastrophe.

Stuttgart/Mayschoß - Die Bilder der Flutkatastrophe sind vielen noch vor Augen. Das schier Unfassbare, die Wassermassen, die Trümmer, das Leid, die existenzielle Not: All das löste wiederum eine Flut von Hilfe aus ganz Deutschland aus. Sach- und Geldspenden gingen an die Opfer der Naturkatastrophe. Ganz anders zeigte eine Kursstufe des evangelischen Mörike-Gymnasiums sein Mitgefühl und seine Hilfe. Statt Geld zu sammeln, haben sich dort Sport- und Französischlehrer Florian Jörg und 25 Schüler, darunter zwei jugendliche Flüchtlinge, zwei Wochen nach der Katastrophe an der Ahr gedacht: „Wir packen lieber mit an.“

Angesichts von Betroffenenberichten, in denen es immer wieder heißt, dass bisher keine oder kaum Hilfsgelder angekommen seien, erscheint das Ansinnen der Mörike-Schüler goldrichtig. Aber wie sehr die Stuttgarter damit ins Schwarze trafen, hätte auch Schulleiter Daniel Steiner kaum für möglich gehalten. In einer Mischung aus Stolz und Rührung berichtet er von der zweitägigen Expedition nach Mayschoß, wo auch aus einem Bach ein reißender Strom geworden sei: über 50 Häuser überflutet, die Hauptstraße zerstört, 900 Einwohner tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. „Ich bin von allem sehr beeindruckt“, sagt Steiner. Damit meint er nicht nur die humanitäre Hilfsaktion seiner Schüler und des Lehrers Florian Jörg, sondern auch die überwältigende Dankbarkeit der Menschen in Mayschoß. Denn dort, wie in anderen Orten des Katastrophengebiets, kommen alle so langsam ans Ende ihrer Kräfte. Die Aufräumarbeiten scheinen kein Ende zu nehmen, die Schlammmassen in den Häusern und Kellern scheinen unendlich zu sein. Hinzu kommt: Der Schlamm, den das Wasser zurückgelassen hat, wird mit jedem weiteren Tag zu einem größeren Problem. „Er entwickelt Giftstoffe“, erklärt der Schulleiter.

Lehrer organisiert Bus und Unterkunft

Umso besser war es, dass der Lehrer bei der Planung eine logistische Meisterleistung hingelegt hat: Innerhalb kürzester Zeit trommelte er die Schüler über das Konferenz-Tool „Teams“ zusammen, organisierte einen Bus nach Köln samt kostenloser Übernachtung in verschiedenen Kölner Hotels. Wer die Berichte des Lehrers nach dem ersten Arbeitstag hört, bekommt eine Gänsehaut. Erschöpft und doch voller Begeisterung für den Fleiß und die Kraft seiner Schüler sagt er: „Die haben gearbeitet wie die Verrückten. Unermüdlich. Ich bin so stolz auf sie.“ Schülerin Amelie Schwarz ergänzt: „Es ist richtig schön, wirklich etwas zu bewegen und mit anzupacken, statt nur zu Hause zu sitzen und Geld zu spenden, was natürlich auch gut ist.“

So sind sie gewissermaßen über sich hinausgewachsen. Sie haben in einer Stafette, Hand in Hand, Eimer für Eimer, Stein für Stein aus einem Hotel getragen. Zwei Stockwerke haben die Jugendlichen so von den Hinterlassenschaften der Flut befreit. „Dabei wirkten sie so professionell, dass andere Helfer ihre Art und Weise als Orientierungshilfe genommen haben“, berichtet Schulleiter Steiner. Auch auf die Bürger in Mayschoß hat das Eindruck gemacht: „Liebe Helfer, wir sind Euch unglaublich dankbar für Eure Hilfe und Unterstützung“, heißt es auf der Internetseite des Ortes, „in enger Zusammenarbeit mit den Feuerwehren, dem THW, dem DRK, der Bundeswehr, der Polizei und den vielen freiwilligen Helfern konnten wir eine Infrastruktur aufbauen.“ Weiter heißt es: „Es ist überwältigend, zu sehen, wie sich so viele Menschen engagieren und unser Dorf unterstützen.“

Nach den Sommerferien könnte es weitergehen

„Am vergangen Freitag bekam ich einen Anruf“, sagt Daniel Steiner, „und wurde gefragt, ob wir noch einmal kommen können.“ Da die Schüler in den Sommerferien nun in alle Winde zerstreut seien, so Steiner, musste er die Bürger von Mayschoß vertrösten: „Wenn es im September noch etwas zu tun gibt, kommen wir natürlich wieder.“

Die Hilfsaktion des Mörike fand jedoch nicht nur im Winzerdorf Mayschoß beim dortigen Bürgermeister und den Bürgern dankbare Resonanz. Auch die „ARD-Tagesthemen“ haben über die jungen Stuttgarter Schaffer in einem kleinen Beitrag berichtet. Schulleiter Daniel Steiner hat dies mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Aber wichtiger als die positive mediale Außenwirkung ist ihm das Signal der Mitmenschlichkeit, das seine Schüler hier in die Welt senden. Dies gilt umso mehr, da das Mörike-Gymnasium und der Schulverbund die evangelische Kirche als Träger hat und natürlich bemüht ist, den jungen Menschen die christlichen Werte zu vermitteln.