Die Kirche berät über Themen, die einstmals als tabu galten. (Symbolbild) Foto: dpa/Evandro Inetti

Corona verstärkt die Krise der Kirche: Viele haben gemerkt, dass sie auch ohne Gottesdienst zurechtkommen. Besonders für Reformerinnen ist dies ein zusätzlicher Ansporn - nach dem Motto: „Auch ich kann Priesterin!“

Dortmund/Frankfurt/Berlin - Die katholische Kirche in Deutschland will sich reformieren - und zwar ernsthaft. Das scheint manch einen doch auf dem falschen Fuß erwischt zu haben. Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp hat sich unter Protest aus dem Forum „Leben in gelingenden Beziehungen“ zurückgezogen. Ihm ist nach eigenen Worten klar geworden, dass hier doch tatsächlich „empfängnisverhütende Maßnahmen ebenso gerechtfertigt werden wie von der Fruchtbarkeit losgelöste sexuelle Praktiken wie homosexuelle Handlungen oder Masturbation“. Heilige Muttergottes!

Am Freitag wurde erstmals wieder über den Reformprozess - den Synodalen Weg - beraten. Die eigentlich geplante Synodalversammlung musste wegen Corona zwar auf nächstes Jahr verschoben werden, weil dafür 230 Leute zusammenkommen müssen. Stattdessen wurden aber fünf kleinere Regionalkonferenzen abgehalten: in Berlin, Dortmund, Frankfurt am Main, Ludwigshafen und München.

Erstes Thema: Corona. Der konservative Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hatte im Mai die These vertreten, angesichts der Pandemie sei es um den Synodalen Weg „ziemlich ruhig geworden“. Angesichts der existenziellen Bedrohung träten politische Fragen wie die Stellung der Frau in der Kirche offenbar zurück - stattdessen suchten die Gläubigen verstärkt spirituellen Beistand durch Priester.

Kirchen Rechnen mit Anstieg der Austritte

Mehrere Redner in den Konferenzen am Freitag zeichneten ein anderes Bild: Die Kirchen seien jetzt sonntags leerer als je zuvor, berichteten sie. Einerseits deshalb, weil vor allem ältere Gemeindemitglieder eine Ansteckung fürchteten. Andererseits aber auch deshalb, weil viele bisher praktizierende Katholiken während des Lockdowns festgestellt hätten, dass sie sonntags eigentlich auch gut ohne Gottesdienst klarkämen. Dazu passt, dass die Kirchen mit einem starken Anstieg der Austritte rechnen.

Es ist schon etwas Neues, dass die deutschen Katholiken mit dem Synodalen Weg nun ein Forum besitzen, auf dem alle möglichen Themen sehr offen und gleichberechtigt diskutiert werden. Es ist tatsächlich eine Art „Kirchenparlament“, ein Begriff, den Kardinal Rainer Maria Woelki nach der ersten Synodalversammlung Anfang Februar verwendet hatte. Dem konservativen Kölner gefiel das gar nicht, doch Hardliner wie er und Voderholzer sind in der Minderheit. Die ganz deutliche Mehrheit der „Synodalen“ ist der Meinung, dass dieser Reformprozess die letzte Chance sein könnte. Er könnte darüber entscheiden, ob der Katholizismus ein prägender Faktor in Deutschland bleibt - oder zur Nischenreligion herabsinkt.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, hob am Freitag in Dortmund hervor, dass hier zum ersten Mal seit Jahrzehnten alle an einem Strick zögen. „Da gibt es nur ganz einzelne Ausreißer, die zu fundamentaler Kritik ansetzen, aber kaum Resonanz finden. Das ist für mich eine neue Erfahrung, und ich warne davor, die Situation der Kirche in Deutschland so zu dramatisieren, dass man das als große, sich gegenüberstehende Blöcke darstellt.“

Rom könnte Veränderungen stoppen

Der Synodale Weg hat vier Themen: Umgang mit Macht, die kirchliche Sexualmoral, die erzwungene Ehelosigkeit der Priester, Zölibat genannt, und die Position der Frauen. Die Frauenfrage ist wohl die drängendste von allen. Ihre Diskriminierung erscheint umso paradoxer, weil es im Wesentlichen sie sind, die das Gemeindeleben in Deutschland noch am Laufen halten. Frauen sitzen ehrenamtlich in den Pfarrbüros, organisieren Pfarrfest und Weihnachtsbasar, redigieren die Texte für den Gemeindebrief, sammeln für die Caritas und geben Kommunionunterricht. Aber die Macht haben die Männer, denn sie allein können Priester und Bischof werden. „Wir wissen, dass sich die Zukunft der Kirche an der Frauenfrage entscheiden wird“, sagt Karin Kortmann, die einzige Frau im Präsidium des Synodalen Wegs.

Nun hat der Vatikan die Schwestern und Brüder aus dem Geburtsland der Reformation bereits wissen lassen, dass sie keineswegs die Kompetenz hätten, künftig Priesterinnen zu weihen. Schließlich gebe es nur eine einzige katholische Kirche - keine deutsche. Mitglieder der Initiative Maria 2.0 kommentierten dies am Freitag in Frankfurt mit Transparenten wie: „Auch ich kann Priesterin!“ und „Wenn ich groß bin, werde ich Päpstin.“

Hier zeichnet sich das Risiko des Reformprozesses ab: Er hat eine Aufbruchsstimmung erzeugt, aber es besteht die Gefahr, dass dies in umso größerem Frust endet. Nämlich dann, wenn konkrete Veränderungen von Rom gestoppt werden. „Dennoch ist es wichtig, darüber jetzt zu diskutieren“, sagt Sternberg der Deutschen Presse-Agentur. „Große Entscheidungen der jüngeren Kirchengeschichte sind nur möglich gewesen, weil vorher ganz viel passiert ist.“