Eine riesengroße Miniaturwelt im Maßstab 1:87 zieht die Blicke in den Vereinsräumen des Modelleisenbahnclubs auf sich. Foto: Lichtgut/Zophia Ewska

Der Modelleisenbahnclub Stuttgart hat auch im 76. Jahr seines Bestehens keine Nachwuchssorgen und lädt am kommenden Sonntag erneut zum Vorführtag in seine große Anlage ein.

Männer und Modelleisenbahnen. Das ist eine lebenslange Liebesgeschichte. „Zug“ sei das erste Wort gewesen, das er gesprochen habe, erzählt Peter Anhalt, Geschäftsführer vom Modelleisenbahnclub Stuttgart (MECS), und liefert den Beweis für die Leidenschaft ohne Verfallsdatum: „Unser ältestes Mitglied ist 99 Jahre alt.“ Nachwuchssorgen kenne der Club, der 1947 gegründet wurde, aber nicht: Seit zwei Monaten gehört der elfjährige Max Eisenhardt in diesen Zirkel der Bahnfans. Sie erschaffen sich eine eigene Welt, an der sich die Besucher beim Vorführtag der großen Anlage, seit 30 Jahren im Zwischengeschoss der S-Bahn-Haltestelle Vaihingen-Universität beheimatet, kaum sattsehen können.

Das erste Wort: Bahnverspätung

Dass Hans-Ulrich Firnhaber, bis vor Kurzem im Vorstand, als erstes Wort „Bahnverspätung“ von sich gab, zeugt von prophetischer Gabe. Aber wo die Bahn im realen Leben mit Pannen und Verspätungen Kummer macht, herrscht hier das reine Entzücken. Über eine Welt im Miniaturformat im Maßstab 1:87, in der auf 150 Quadratmetern 80 Zugeinheiten alter und aktueller Bauart auf einem Kilometer Geleise und reibungslos passierte 330 Weichen durch eine malerische süddeutsche Mittelgebirgslandschaft mit Bergen, Tälern, Flüssen, Seen, Wäldern, anheimelnden Weindörfern und Städtchen voller Fachwerkhäuser und größeren und kleineren Bahnhöfen fahren. Gerade hält der ICE im Hauptbahnhof Langenthal, aus dem Tunnel kommend nimmt ein zweistöckiger und hell erleuchteter Regio-Express die letzte Kurve vor dem Halt. Am Stellwerk davor sorgen Christian Matz und Hans-Ulrich Firnhaber für den reibungslosen Schienenverkehr. Kommt es auch mal zum Crash? Nein, lacht Matz und führt vor, wie ein Kontrollsystem Havarien verhindert.

Kirchturm kommt einem bekannt vor

Kommt einem dieser Kirchturm nicht bekannt vor? Genau wie dieses Rathaus. Richtig, aus Uhlbach! Wo hat man diese Burg schon mal gesehen? Und steht diese Mühle nicht genauso im Siebenmühlental? „Alle Gebäude haben irgendwo ein Vorbild“, bestätigt Peter Anhalt. Der Bahnhof Reutte, ein neues Prachtstück in der Anlage, sei dem alten Bahnhof von Calw nachgebildet. Faszinierend wirkt das rege Treiben auf den Bahnsteigen, denn so winzig die Menschenfigürchen sind, so lebendig ist ihr Ausdruck.

In der Werkstatt sitzt Jesse Fischer und repariert eine Lok. „Es gibt immer etwas zu tun“, sagt der Fahrzeugwart. Denn die Züge seien im Grunde nicht für die hohe Kilometerleistung an einem solchen Tag ausgelegt. Das Hobby, bestätigt Anhalt, erfordere den ganzen Einsatz: „Es kommt immer wieder Neues auf der Anlage dazu, und wir machen alles selbst.“ Das gelte auch für die drei Damen unter den insgesamt 45 Mitgliedern. Das Verlegen schnurgerader Geleise in Kurvenbiegungen sei eine besondere Herausforderung, Felsen samt Wasserfall werden aus Gips geformt und Flüsse aus Gießharz nachgebildet. Stolz blickt Alfred Eitel von der Arbeitsgruppe Geländebauer auf den Weinberg, den er mit mehreren Tausend Reben bestückt hat. „Im nächsten Herbst stoßen wir mit dem ersten Viertele an“, lacht Eitel, der mit Thomas Fromme und Jesse Fischer den neu gewählten Vorstand bildet.

Vorführtag am Sonntag, 26. März

Nachdem die Corona-Beschränkungen 2022 das 75-Jahr-Jubiläum des MECS beeinträchtigt und die Präsentation für ein breites Publikum verhindert haben, hoffen die Clubmitglieder jetzt auch beim großen Vorführtag am Sonntag, 26. März, von 10 bis 17 Uhr, auf viele begeisterte Besucher. Im Café Gleisblick auf der Empore kann man sich in komfortablen Erste-Klasse-Polstern niederlassen. Für die Bewirtung, wird versichert, seien keinesfalls nur die Club-Damen zuständig.