In einer zum Probenraum umfunktionierten Partyscheune treffen sich die Glemskehlchen zum Singen. Foto: Simon Granville

Sie nennen sich den „lautesten Männerchor in Ditzingen“: Die Glemskehlchen sind Männer zwischen Mitte 30 und 70, die großen Spaß am Singen haben – und sich nicht ganz so ernst nehmen.

Ruhe, Sofa und Gin Tonic – drei Dinge, die in Ditzingen zu einem erfolgreichen Projekt geführt haben. An einem Samstagabend vor anderthalb Jahren treffen sich Freunde privat. Darunter auch Väter, deren Kinder gerade auf einer Chorfreizeit sind. Florian Müller lacht: „Wir haben die Kinderfreiheit gefeiert.“ Und eine „Grundidee“ weitergesponnen, als sich das Gespräch um Chöre im Allgemeinen und Männerchöre im Besonderen drehte: Warum nicht selbst einen Chor gründen? Zum Beispiel nach dem Vorbild der populären Hamburger Goldkehlchen – 70 Männer, von denen nach eigenen Angaben keiner singen kann.

Idee zu den Glemskelchen enstand spontan

„Nach zwei, drei Gin Tonic waren wir angefixt“, erzählt Florian Müller. Die Männer stellten sich ans Klavier und sangen Udo Jürgens’ „Ich war noch niemals in New York“. Dieser Erstling ist inzwischen ein Dauerbrenner bei den Glemskehlchen, wie sich der Männerchor nennt – mit dem Zusatz „Der lauteste Männerchor in Ditzingen“. Stimmkräftig ist er, definitiv.

Nach dem heiteren Abend wurde eine Whatsapp-Gruppe erstellt, ein Logo entworfen, es wurden Freunde und Bekannte eingeladen. Zunächst probten acht, neun Männer im katholischen Gemeindehaus. „Das hat sich erstaunlich gut angehört“, sagt Florian Müller. Mittlerweile sind es mehr als 25 Sänger, die in einer privaten Scheune proben. In dem Partyraum mit Tischkicker, Theke und stets gut gefülltem Kühlschrank steht passend dazu nun auch ein mobiles Klavier.

Musikalität ist im Chor zweitranging: „Ich kann nicht singen, sage ich immer“

Sie sind zwischen Mitte 30 und 70 Jahre alt – und das Gegenteil eines Männerchors, wie man ihn sich gewöhnlich vorstellen mag, also mit einem „eher verstaubten Image“, wie Pirmin Dangelmaier es formuliert. „Wir sind ein bunter Haufen, eine coole Truppe, in der jeder sein kann, wie er will“, sagt Florian Müller. Offen für jeden ab 18, ergänzt Andreas Schaible. Die Zielgruppe ist klar definiert: „Männer, die sich nicht trauen, in anderen Gruppen zu singen“, wie Peter Fischer erklärt. Wer meine, nicht singen zu können – und das würden viele von sich behaupten – „passt gut bei uns rein“, so Fischer. „Ich kann auch nicht singen, sage ich dann immer.“

Geselligkeit und Gemeinschaft werden beim Ditzinger Männerchor Glemskehlchen großgeschrieben. Foto: Simon Granville

Denn die Männer, erklärt Florian Müller, hätten nicht den Anspruch, perfekt zu sein. Ein falscher oder schiefer Ton sei zweitrangig, die Größe der Gruppe trage es, sagt Peter Fischer. „Wir brillieren nicht mit Musikalität, sondern mit Spaß am Singen.“ Spaß ist den Männern wichtig, ebenso gute Laune, Lockerheit, Gesellschaft und Gemeinschaft. Treffen sie sich zur Probe, stoßen sie erst mal mit einem „Cheers, Männer“ an.

Bei den Proben stellten sie fest, wie gut das Singen tut. „Singen befreit und entspannt“, sagt Andreas Schaible. Bei ihm dauere es keine fünf Minuten, bis seine Stimmung steige, berichtet etwa Florian Müller. Auch Pirmin Dangelmaier sagt: „Nach einer Probe komme ich immer gut gelaunt nach Hause.“

Ein Kazoo oder eine Klingel werden im Chor zum Spaß eingebaut

Die Glemskehlchen sind kein Verein und haben keinen Chorleiter. Sie arbeiten auch nicht mit Noten. Die würden die meisten ohnehin nicht kennen. Vielmehr singen die Männer die Lieder, wie sie sie kennen. „Laut“, „leise“, „langsam“ sind Stichworte, mit denen sie arbeiten. Lediglich denselben Text hat jeder vor sich auf dem Smartphone parat. Dabei sind sie heilfroh, Peter Fischer an der Seite zu haben. Er ist einer von zwei Klavierspielern, ein „Naturtalent“, wie die Männer über ihn sagen. „Ohne unsere Klavierspieler würde es nicht gehen“, betont Pirmin Dangelmaier. Peter Fischer, der klassischen Klavierunterricht hatte, beherrscht Noten und Akkorde im Schlaf. Er begleitet den Männerchor durch die Lieder. „Wir probieren die Lieder aus, wir probieren uns aus und entwickeln uns Stück für Stück weiter“, sagt er. Die Männer singen – mit Bier in der Hand – bekannte Lieder, deutsche und englische, ältere und neuere. „Wir sind flexibel“, meint Florian Müller. Experimentierfreudig ist der Männerchor ebenfalls: Er liebt zum Beispiel „Ein Kompliment“ von den Sportfreunden Stiller, in das er Passagen mit einem Kazoo eingebaut hat, einem kleinen Membranophon. „Wir versuchen Lieder zu optimieren und bauen auch mal Spaß ein, etwa eine Klingel“, sagt Florian Müller.

Der erste Auftritt der Glemskehlchen war ein voller Erfolg

Der Männerchor kommt beim Publikum gut an. Bei ihrer Gründung hatten sich die Glemskehlchen zum Ziel gesetzt, beim Hafenscherbenfest Mitte September in der Ditzinger Kernstadt aufzutreten. „Ich hatte das erst nicht ernstgenommen“, gibt Pirmin Dangelmaier zu. Doch es wurde tatsächlich ernst, sie bekamen eine Zusage samt einem Termin für einen Auftritt.

Auf der Bühne vor dem Rathaus präsentierten sie sich zum ersten Mal der breiten Öffentlichkeit. Mit vollem Erfolg. Der Rathausplatz war rappelvoll. Aus Schaibles Sicht punktet der Chor auch damit, dass er auf der Bühne interaktiv ist.

Schon vor ihrem Auftritt erfuhren die Glemskehlchen, dass sie Menschen begeistern können. Nachdem sie erst noch gemeinsam gegrillt haben, machten sie sich auf den Weg zur Bühne, einen Bollerwagen und das rollende Klavier im Schlepptau – und stoppten in der Marktstraße für ein spontanes Ständchen. „Nach dem ersten Applaus fiel meine Nervosität ab“, erzählt Pirmin Dangelmaier. Es war ein „richtig schöner Sonntag“.

Der Männerchor hat schon mehrere Anfragen für weitere Auftritte

Die Glemskehlchen haben Blut geleckt. „Es ist deutlich mehr herausgekommen, als wir erwartet haben“, sagt Peter Fischer. Auf Tour gehen wollten sie nicht, aber „ab und zu ein Auftritt? Gern.“ Nach dem Hafenscherbenfest hätten sie drei Anfragen erhalten, eine sei auch konkret. Weiter wachsen will der Chor auch, sagt Andreas Schaible. Die Chancen stehen ziemlich gut.

Singen in Gemeinschaft

Probe
Die Glemskehlchen treffen sich jeden zweiten und vierten Freitag im Monat zur Probe, jeweils von 18 bis circa 20 Uhr. Wer Interesse hat, möge sich über das Kontaktformular auf der Homepage des Männerchors auf https://www.glemskehlchen.de/melden.