Ministerpräsident Winfried Kretschmann Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Bauen ist so wichtig wie die Automobilwirtschaft: Beim Archikon-Landeskongress hat Ministerpräsident Kretschmann einen neuen Strategiedialog gefordert.

Stuttgart - Bezahlbares und ökologisch verträgliches Wohnen voranzubringen – dieses Ziel verfolgen alle Spitzenkandidaten der fünf im Landtag vertretenen Parteien, die am Donnerstag beim Archikon-Landeskongress für Architektur und Stadtentwicklung auf dem politischen Podium zu Gast waren. Der Einladung der Architektenkammer Baden-Württemberg (AKBW) zu der Live-Online-Veranstaltung unter der Überschrift „Unser Land neu denken!“ mit Vorträgen, Seminaren und Diskussionen waren rund 1500 Teilnehmer gefolgt.

Wie müssen sich Städte wie auch ländliche Regionen verändern, um den großen Transformationsprozessen durch Demografie, Klimawandel, Digitalisierung gerecht zu werden? Welche Visionen hat die Politik für Baden-Württemberg, wenn es um das „Megathema Bauen und Wohnen“ geht? Mit seiner Ankündigung, im Falle einer Regierungsbeteiligung einen neuen Strategiedialog zum Bauen zu initiieren, unterstrich Winfried Kretschmann die Bedeutung des Themas für die Zukunft des Landes. Ähnliche Plattformen rief die Landesregierung bereits für die Automobilwirtschaft und das Gesundheitswesen ins Leben.

Eisenmann: Bauvorschriften haben sich verzwanzigtausendfacht

Gleichwohl betonte der amtierende Ministerpräsident mehrfach, dass Bauen in erster Linie eine kommunale Aufgabe sei, das Land gebe lediglich den Rahmen vor. Kretschmann wie auch die übrigen Landtagswahl-Spitzenkandidaten sprachen sich klar für eine Entschlackung der Bau- und Planungsvorschriften aus. Susanne Eisenmann, CDU, wartete in der von Gabriele Renz, Pressesprecherin der AKBW, moderierten Runde mit einer erschreckenden Zahl auf: In den vergangenen dreißig Jahren hätten sich die Bauvorschriften verzwanzigtausendfacht. Eisenmann bezeichnete die Wohnraumfrage als „die soziale Frage der Zukunft“, wobei die Ökologie die Bezahlbarkeit nicht behindern dürfe. Sie stellte den Quartiersgedanken in den Mittelpunkt, da Wohnen, Arbeiten und Leben enger zusammenrücken würden.

Dass es unumgänglich ist, den Klimaschutz beim Bauen zuvorderst im Blick zu haben, darauf konnten sich alle fünf Podiumsteilnehmer einigen, nur Bernd Gögel, AfD, scherte aus, zur Frage, inwieweit der Klimawandel menschengemacht sei, könne man unterschiedlicher Ansicht sein.

Nur Andreas Stoch packt das heiße Eisen Boden an

„Die Politik muss sich trauen, über die kommunale Bodenordnung nachzudenken“, hatte AKBW-Präsident Markus Müller zum Auftakt gesagt. Andreas Stoch, SPD, hatte als einziger den Mut, dieses heiße Eisen aufzugreifen und bezeichnete „den Wert des Bodens“ als „Bremse der Entwicklung“ und Gefahr für den sozialen Zusammenhalt. Bei der von Kretschmann geforderten Fotovoltaik-Pflicht für alle Dächer rügte er die bisherige Landesregierung, die diese ab 2022 nur für gewerbliche Neubauten vorsieht. „Es wäre mehr möglich gewesen“, so Stoch. Er plädierte zudem dafür, Bestandsbauten stärker in den Blick zu nehmen.

Anreize statt Verbote, um das Bauen und den Wohnbau voranzubringen – dieser Formel Stochs konnte auch Hans-Ulrich Rülke, FDP, folgen, nicht ohne einen Seitenhieb auf die jüngste, von den Grünen losgetretene politische Debatte um das Einfamilienhaus: „Wir wollen niemand vorschreiben, wie er oder sie zu wohnen hat“.