Gruppenbild mit Leiche: von links Michael Wittenborn, Iris Berben, Walter Sittler und Heiner Lauterbach. Foto: TV Now/Frank Dicks

In der vierteiligen Miniserie „Unter Freunden stirbt man nicht“ spielt Walter Sittler ganz ruhig nur eine Leiche. Ein Quartett von Freunden aber – gespielt von Iris Berben, Adele Neuhauser, Heiner Lauterbach und Michael Wittenborn – hat mit dem Toten alle Hände voll tun.

Stuttgart - Er war seinen Freunden immer ein bisschen voraus, der smarte, warmherzige, souveräne, witzige und erfolgreiche Hermann (Walter Sittler). Und jetzt stirbt er auch als erster aus jener Clique, die sich seit Jahrzehnten kennt. Gut, das ist ein Schock, aber als Ella (Iris Berben), Annette (Adele Neuhauser), Joachim (Heiner Lauterbach) und Friedrich (Michael Wittenborn) den friedlich zuhause entschlummerten Hermann finden, mischen sich schnell praktische Erwägungen in die nicht eben stabile Pietät.

Eine E-Mail deutet darauf hin, dass der Wirtschaftswissenschaftler in fünf Tagen als neuer Empfänger des Nobelpreises ausgerufen werden soll. Der Preis geht aber nur an Lebende. Von Hermanns Ableben dürfen offizielle Stellen daher nichts erfahren. Daran haben in der vierteiligen Komödie „Unter Freunden stirbt man nicht“, die man beim Streamingdienst TV Now sehen kann, aus unterschiedlichen Gründen alle aus Hermanns Clique großes Interesse.

Busengrapscher im Buchladen

Der Buchhändlerin Annette zum Beispiel hat bei einer Lesung in ihrem Laden ein im Rollstuhl sitzender Großautor und Holocaust-Überlebender an die Brust gefasst, was nun in einen veritablen Skandal zuungunsten von Annette ausartet: Online-Hetze, Laden-Boykott, ruinöse Zivilklagen. Dass die Buchhändlerin vielleicht, vielleicht auch nicht die heimliche Lebensgefährtin des Verblichenen war, könnte helfen. Annette könnte dann die Lebensversicherung beanspruchen. Dazu braucht sie aber das Zeugnis von Joachim und den anderen, dass tatsächlich eine Lebensgemeinschaft bestand.

Der sehr eitle Joachim wird demnächst ein Buch veröffentlichen, für das der Verlag nicht viel tun wird, trotz des Vorworts von Hermann. Es soll nur als E-Book erscheinen, nicht einmal auf Papier. Es sei denn, der Vorwortschreiber Hermann würde der frisch umjubelte Nobelpreisträger. So kann man hier einander also prima ein wenig helfen, wenn man Hermanns Ableben vertuscht. Anfangs scheint es so, als müsse man den verstorbenen Freund einfach nur auf seinem Bett liegen lassen und Tage später so tun, als habe man ihn eben erst gefunden. Das wird aber schnell komplizierter, die Leiche muss viel herumgewuchtet werden.

Nein, logischem Nachdenken hält diese Miniserie in keinem ihrer Gelenke länger als zwei Sekunden stand. Aber manche Thriller und Gaudis machen ihre Schlaglöcher der Unlogik dadurch vergessen, dass sie uns entlang der Strecke Interessantes sehen lassen. „Unter Freunden stirbt man nicht“, das Remake einer israelischen Serie, kann das auch.

Störung der Totenruhe

Die emsige Störung der Totenruhe hat 1955 Alfred Hitchcock im auch für ihn außergewöhnlichen Film „Immer Ärger mit Harry“ zum großen Thema gemacht. Immer wieder haben Filmemacher die Idee seither aufgegriffen und variiert, wobei einige auf die reinen Schockeffekte setzten, andere dagegen unseren Umgang mit dem Sterben oder Schlicht die Spannung zwischen Anstand und Eigennutz untersuchten.

„Unter Freunden stirbt man nicht“ nutzt die Herausforderung durch Hermanns unerwarteten Abschied von Fleisch und Erdenschwere, um von den diversen Spannungen im feinen Freundeskreis und von den Charakterverwerfungen der klugen Leute zu erzählen. Der klare Blick hat ja die meisten Schwierigkeiten stets damit, nach innen zu schauen.

Marotten und Beschwerden

Die Produzenten haben hier nicht nur große Namen versammelt, die um Nahaufnahmezeit rangeln, wie das bei Prestigeanstrengungen manchmal vorkommt. Sie haben ein Ensemble zusammengeholt, das flott als Gruppe und bissig in den Einzelporträts agiert. Es gibt einige herrlich inspirierte Szenen und ein paar sehr akzeptable, die in ihren Dialogen nicht ganz so helle funkeln. Die Lust der Darsteller an den Aufgeblasenheiten, Marotten und Beschwerden ihrer Figuren aber hält alle vier der jeweils knapp einstündigen Folgen stets gut in Bewegung.

Wer von Akademikern erzählt, der gerät schnell in Verdacht, nur für Akademiker zu erzählen. Oder in den anderen, die besser verdienenden Geistesmenschen zum Vergnügen des Volkes auf banale Weise als Hochstapler anzukreiden. „Unter Freunden stirbt man nicht“ fällt in keines der beiden Extreme.

Man kann die veräppelten Rituale, Konflikte und Zwänge in den Universitätsblasen nachvollziehen, ohne sich auskennen zu müssen. Friedrich etwa, der nie die Anerkennung bekam, die er meint, verdient zu haben, ist eine ziemlich universale Figur. Und wie Michael Wittenborn ihn spielt, das wäre schon ganz alleine menschlich und witzig genug, um sich dafür die ganze Miniserie anzuschauen.

Online und im Free-TV

Streamingdienst
: Zwei Welten mischen sich in dem, was die RTL-Gruppe online an Programm bietet. Zur einen Hälfte ist TV Now die Gratis-Mediathek der zugehörigen Privatsender, zum anderen findet man hier Inhalte, die ausschließlich zahlende Abonnenten abrufen können und die nicht von Werbung unterbrochen werden. Das sind entweder exklusive Filme, Shows und Serien, oder Produktionen, die erst später bei den Sendern laufen.

Miniserie
: „Unter Freunden stirbt man nicht“ liegt im Bezahlteil von TV Now und soll später einmal bei Vox im Free-TV laufen.

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