Die Situation erinnert ans Frühjahr. Das Treffen zwischen Biden (li.) und Putin war die Folge der damaligen Militärmanöver. Foto: AFP/MIKHAIL METZEL

Videos zeigen Truppenbewegungen unweit der Ukraine. Die Sorge vor einem Krieg wächst wieder. Moskau wischt die Nachrichten beiseite.

Moskau - Der Kremlsprecher Dmitri Peskow gab sich vor der Presse fast belustigt. Die Satellitenbilder, die zeigen sollen, wie Russland Militäreinheiten nahe der Ukraine zusammenzieht, hält Peskow für „Provokationen“. Die schlechte Qualität sei bereits daran erkennbar, dass alle von der Ukraine sprächen, dann die Grenze zu Belarus zeigten. Zudem: „Militärbewegungen auf dem Gebiet der Russischen Föderation sind ausschließlich unsere Sache“, sagte er.

In den sozialen Medien kursieren angebliche Beweisvideos

Seit einer Woche tauchen in den sozialen Netzwerken immer wieder Bilder und Videos von Straßenszenen auf, die Truppenbewegungen der Russen zeigen sollen. Sowohl an der ukrainischen als auch an der belarussischen Grenze. Einmal sind lange Kolonnen mit verladenen Panzern zu sehen, einmal Lastwagen-Konvois, die offenbar im Südwesten Russlands unterwegs sind. Satellitenbilder der US-Firma Maxar zeigen zudem eine Ansammlung von Militärfahrzeugen in der Kleinstadt Jelnja in der Region Smolensk an der russisch-belarussischen Grenze. Auch die Erste Garde-Panzerarmee, eine sonst in der Region Moskau stationierte Eliteeinheit, soll dabei sein. Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte dagegen mit, keine neuen russischen Truppenbewegungen in Richtung Grenze registriert zu haben.

Entwicklung beunruhigt Amerikaner und Europäer

Die „Washington Post“ berichtete am Wochenende über die wachsende Sorge der Amerikaner und Europäer, weil Russland seine Truppenpräsenz nach dem militärischen Großmanöver Sapad (Westen) zwischen Russland und Belarus erhöht haben soll. Erst im September hatten laut russischen Angaben etwa 200 000 Soldaten, mehr als 80 Flugzeuge und Helikopter sowie 760 Kriegsfahrzeuge und bis zu 15 Schiffe die Übung nahe der Grenze zur EU abgehalten. Dabei hatten sie den Ernstfall eines Überfalls durch die Nato geübt. In russischen Militärkreisen ist diese Angst real. So verneint der kremlloyale Militärexperte Konstantin Siwkow den neuerlichen Aufmarsch der Russen keineswegs. Eine „mächtige Demonstrationsgruppe“ sei notwendig, da die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten derzeit einen direkten Krieg gegen Russland vorbereiteten, sagte er laut russischen Medien. Details erklärte Siwkow nicht.

Die Situation, so unklar sie sein mag, erinnert an die Verschärfung des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland im Frühjahr. Im März und April ließ Moskau seine Armee an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren – und dementierte zunächst. Erst nach einem Anruf des US-Präsidenten Joe Biden bei seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin entspannte sich die Situation, die beiden trafen sich später in Genf. Der Aufmarsch in der Region Woronesch und auf der annektierten Halbinsel Krim wirkte wie ein Druckmittel, um Biden, der kurz zuvor Putin als „Killer“ bezeichnet hatte, zum Gespräch zu zwingen.

Auslöser war wohl eine Kampfdrohne

Russland wolle erneut Stärke demonstrieren, sagte der russische Militärbeobachter Waleri Schirjajew dem Internet-TV-Sender „Doschd“. Er rechnet damit, dass Russland in den nächsten Tagen eine „Antwort, welcher Art auch immer“, auf den ukrainischen Einsatz einer Kampfdrohne im Donbass schicken werde. Am 26. Oktober hatte die ukrainische Armee eine ihrer in der Türkei gekauften Bayraktar-Drohnen südlich von Donezk eingesetzt. Nach Angaben aus Kiew habe sich die Ukraine vor Beschuss aus dem Separatistengebiet verteidigen müssen. Die Ukraine demonstrierte damit, dass sie Waffen einsetze, die sie kaufe. Die bedrohliche Gegendemonstration liefert nun Russland.