Familienunternehmen: Merlin Ouboter (rechts), Vater Wim und sein Bruder Oliverpräsentieren den Microlino und die Microletta. Foto:  

Die Start-ups Sono Motors und Microlino wollen einen Gegenentwurf zur normalen E-Mobilität liefern. Doch das ist gar nicht so einfach: Die Beispiele zeigen, wie zäh es ist, bis eine Idee in die Produktion geht.

Bei Sono Motors geht es derzeit um die Rettung einer Vision: „#savesion“, „rette Sion“ lautet das Motto auf der Homepage des Münchner Start-ups. 3500 Solarautos müssen bis Ende Januar verkauft werden, damit die Geschichte dieses besonderen Fahrzeugs weitergehen kann. Statt mit Lack ist das Auto mit Solarpaneelen verkleidet. Der Hersteller verspricht damit „volle Autarkie auf kurzen Strecken“. Doch obwohl bereits Sions verkauft wurden (knapp 1300 Stück, Stand 3. Januar), ist noch kein Einziger von ihnen vom Band gelaufen. Damit die Autos produziert werden können, braucht das Start-up einen dreistelligen Millionenbetrag für Werkzeuge und Maschinen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sono Motors die Allgemeinheit um eine Finanzspritze bittet, bereits vor drei Jahren gab es eine Kampagne. Rund zehn Jahre alt sei die Idee vom Solarauto, erzählt Jona Christians, einer der Gründer. Inzwischen habe es mehr als 18 000 Probefahrten in Europa gegeben. Beim Börsengang 2021 habe Sono Motors 260 Millionen Euro eingesammelt. Doch die Investoren interessiert derzeit mehr ein Nebenprodukt, das Sono Motors erfolgreich vertreibt: Solarmodule für Lastwagen oder Busse.

Woran erkennt man als Start-up, ob es Zeit ist, sich von einem Traum zu verabschieden? Jona Christians denkt kurz nach. „Unsere Vision ist eine Welt ohne fossile Energien.“ Doch Sono Motors will die Entscheidung in Sachen Sion nicht selbst treffen. Die Sion-Fans sollen sagen, ob das Auto wirklich gewollt wird oder nicht, sagt Jona Christians. Um das Solarauto zu zeigen, tourt es derzeit durch die Republik. Am 10. und 11. Januar macht es in Böblingen halt. Besichtigungstermine kann man online buchen.

Gegenentwurf für ein Kleinstfahrzeug

Regulär unterwegs in Deutschland ist von Februar an ein anderes neues Fahrzeug: der Microlino aus Zürich. In der Schweiz sind die ersten 50 schon auf Tour. Der Zweisitzer sieht aus wie ein Auto, ist aber keines, sagt Merlin Ouboter, einer der Gründer-Brüder. Der Microlino sei in der Leichtelektrik-Fahrzeugklasse angesiedelt. Einen Autoführerschein braucht man trotzdem.

Dass seit diesem Jahr in Turin Microlinos gebaut werden, war kein glatter Weg: Merlin Ouboter, sein Bruder Oliver und sein Vater Wim haben in Küsnacht am Zürichsee ein Unternehmen, das mit Tretrollern bekannt geworden ist. Dann sei ihnen aufgefallen, wohin der Trend beim Genfer Automobilsalon weise: größer, schneller, schwerer. „Das geht in die falsche Richtung“, sagt Merlin Ouboter. 2015 präsentierten sie den ersten Gegenentwurf eines Kleinstfahrzeugs, doch bald kam es dann zu Schwierigkeiten mit dem damaligen Partner in Italien. Auf Rechtsstreits folgte die Trennung, und zwischen 2018 und 2020 stand der Microlino – zumindest gedanklich – zeitweise auf der Kippe. „Aber wir sind ein Familienunternehmen, wir mussten keine externen Investoren an Bord holen“, sagt der 27-Jährige, der sein Produktdesignstudium nach einem Semester hat sausen lassen, um sich ganz dem Minifahrzeug zu widmen.

Messerschmitt und Isetta lassen grüßen

Zwischen 2020 und 2022 haben die Ouboters den Microlino überarbeitet und den Schritt in die Produktion gewagt. Und so rollen derzeit in Turin acht Microlinos am Tag vom Band. Gerade gebe es eine Bugwelle an Bestellungen abzuarbeiten. Der Plan sei, die Produktion zu steigern, 2023 auf 5000 Stück und 2024 auf bis zu 12 000. Insgesamt seien 35 000 Fahrzeuge reserviert, davon die Hälfte in Deutschland. Merlin Ouboter ist zuversichtlich, dass die Nostalgie der deutschen Nachbarn – Stichworte Messerschmitt und Isetta – ihr Übriges zum Erfolg beitragen wird. Als Hemmnis nennt Ouboter die Förderung von E-Autos in Deutschland. Für ihn ist das „marktverzerrend“. Ohne Förderung, so wie in der Schweiz, wäre der Microlino deutlich günstiger als ein E-Kleinwagen, sagt er.

Zahlen zu Sion und Microlino

Sion
Der Solarwagen Sion soll knapp 30 000 Euro kosten, in der Kampagne gibt es ihn derzeit für 27 500 Euro (Stand 3. Januar). Mithilfe der Solarzellen auf der Karosserie kann der Sion laut Hersteller durchschnittlich 112 Kilometer pro Woche zusätzliche Reichweite durch Sonnenenergie gewinnen. Der Fünftürer fährt maximal 140 km/h, hat eine 54-kWh-Batterie, einen 120-kW-Motor und eine Reichweite von 305 Kilometern. Die Produktion ist in Finnland geplant. Falls die Finanzierung platzt, müssten 300 von 418 Mitarbeitern entlassen werden.

Microlino
Der Microlino aus Zürich wirbt für sich mit dem Slogan „This is not a car!“. Das Fahrzeug wiegt mit Batterie 500 Kilogramm, fährt elektrisch und ist bei 2,6 kW in vier Stunden an der Steckdose aufgeladen. Der Microlino fährt maximal 90 km/h, hat eine Reichweite von 230 Kilometern sowie eine Leistung von 12,5 kW. Das Fahrzeug ist ab 15 000 Euro zu haben. Neben Deutschland plant Microlino den Markteintritt in Belgien, Italien, Spanien, Österreich, Frankreich und in den Niederlanden. ana