Zwar gibt es inzwischen wieder Messen auf den Fildern, allerdings kann derzeit keiner sicher sagen, wie der Herbst und das Jahr 2023 werden. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Der Stuttgarter Messebauer Stephan Grupp hat in der Pandemie nicht nur Geld und Personal verloren, sondern kämpft mit weiteren Herausforderungen. Bis heute.

Die Messe Stuttgart hat kürzlich demonstrativ Optimismus verbreitet. Nicht allein, dass in Baden-Württemberg seit April 2022 wieder Wirtschaftsmessen stattfinden dürfen, freut die Verantwortlichen. Auch die mehr als 30 Veranstaltungen, die im Herbst in den Messehallen auf den Fildern über die Bühne gehen sollen, führen zu vergleichsweise guter Stimmung.

Doch bei Weitem nicht alle blicken in der schwer gebeutelten Branche so zuversichtlich in die Zukunft. Zum einen verspricht der Herbst und das vielleicht folgende vierte Pandemiejahr keine Planungssicherheit. Zum anderen sind die Messekalender im In- und Ausland nach den zahlreichen Verschiebungen aktuell extrem eng getaktet. Für international aufgestellte Messebauer wie Stephan Grupp eine Situation, „die völlig unbefriedigend ist“.

Grupp ist Geschäftsführer des gleichnamigen Messebauunternehmens in Plieningen. Bevor Mitte April 2022 der Betrieb an der Dreifelderstraße wieder hochgefahren wurde, waren Grupps Mitarbeiter 22 der 24 zurückliegenden Monate in Kurzarbeit. Mit weitreichenden Folgen: Vor zweieinhalb Jahren zählte der Messebauer noch 26 Mitarbeiter, so Grupp. „Heute sind es noch 16.“

Messebaufirmen verdienen traditionell zweimal im Jahr Geld: im Frühjahr und im Herbst. „Normalerweise reicht das Messefrühjahr von Januar bis Ende Mai“, erklärt der 56-Jährige. Dieses Jahr habe das ganze Messefrühjahr während eines einzigen Monats stattgefunden. „Wir sind aus einem Dornröschenschlaf geweckt worden und mussten sofort 200 Prozent geben.“ Das sei „brutal“ gewesen, sagt Grupp. Schon 2021, als kurzzeitig der Messebetrieb wieder erlaubt war, sah sich der Messebauer mit einer solchen Hauruck-Situation konfrontiert. „Und auch im kommenden Herbst werden die Messen von den Betreibern wieder in die Monate September und Oktober gepresst“, sagt er. „Bewältigbar ist das nicht.“

50 Anfragen von Ausstellern musste er ablehnen

Der verengte Zeitplan verringere für die Messebauer die Umsatzmöglichkeiten massiv. Grupp sagt, er habe in den vergangenen zwei Monaten 50 Anfragen von Ausstellern ablehnen müssen. Und: Die Aussteller erteilen ihre Aufträge immer später, um nicht Gefahr zu laufen, Inventar für eine Messe zu bestellen, die dann abgesagt wird. So verengt sich die Zeitschiene verengt weiter.

Das wiederum kollidiert mit den aktuellen Lieferengpässen für beinahe jede Art von Material: „Ob Holz, Teppichböden oder Aluminiumprofile“, sagt Grupp, „wir bekommen das Material entweder irgendwann oder gar nicht“. Ein Teufelskreis. Grupp ist deshalb dazu übergegangen, wo es geht, Material zu horten.

Sorge wegen einer unsicheren Zukunft

Überstanden habe das Plieninger Unternehmen die Pandemie mit staatlichen Überbrückungshilfen, Kurzarbeitergeld sowie den wichtigen Umsätzen, die die Firma in den wenigen, dafür intensiven Monaten mit eigener Arbeit erzielen konnte. Entlassen musste Grupp bis heute keinen seiner Mitarbeiter. Verloren habe er manch einen dennoch: „Einige haben aus Angst vor einer unsicheren Zukunft selbst gekündigt.“

Soll es weitergehen, muss Grupp mittelfristig neue Leute einstellen. Doch die zu finden, erscheint derzeit als Ding der Unmöglichkeit: Der Messebauer sucht seit drei Monaten. Anzahl der Bewerbungen: null. „Ich kann noch nicht einmal jemandem erzählen, dass bei uns gutes Geld zu verdienen ist. Es meldet sich ja niemand.“ Auch die Landesmesse hatte zuletzt 34 Stellen ausgeschrieben, weil Mitarbeiter gegangen waren.

Pandemie hat die Messekalender durcheinandergewirbelt

Dort ist zu erfahren, dass der Kalender der Messe Stuttgart im kommenden Herbst nicht enger getaktet sei als in normalen Jahren. Und auch für das Frühjahr 2023 kündigt man an, dass „die turnusmäßig Messen wieder am Start“ seien. „Wir gehen für Deutschland, Europa und die meisten internationalen Messestandorte davon aus, dass es keine wesentlichen Einschränkungen für Messen mehr geben wird“, so Stefanie Kromer, Unternehmenssprecherin der Landesmesse. Doch dass die internationale Messebranche aktuell noch nicht rund läuft, stimmt eben auch: „Die Pandemie hat die Messekalender, die für konkurrierende Messen sonst fein justiert sind, kräftig durcheinandergewirbelt und für etliche Terminkonflikte in diesem Jahr gesorgt“, sagt Kromer. Erst für 2023 erwartet sie, dass sich die Rhythmen „sukzessive wieder normalisieren“.

Stephan Grupp ist nachdenklich geworden: „Corona hat die Branche getötet“, sagt er. Nun will er abwarten, ob sich 2023 die Lage wieder bessert. „Wenn es anders kommt, wäre das definitiv das Aus.“