Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg können ab 2025 die neue Grundsteuer C verlangen. Das bedeutet Mehrkosten für Eigentümer unbebauter, aber baureifer Grundstücke. Boris Palmer verspricht sich von der neuen Steuer mehr Wohnraum.
Die Zähne habe er sich an etlichen Grundstückseigentümern über Jahre hinweg regelrecht „ausgebissen“, sagt Boris Palmer. Jene mit unbebauten, aber baureifen Grundstücken versucht der Tübinger OB seit seinem Amtsantritt im Jahr 2007 dazu zu bringen, mit dem Bauen loszulegen – und damit das zu schaffen, was in der Unistadt ein besonders knappes Gut ist: Wohnraum. Im Laufe der Jahre wurden in Tübingen zwar immer mehr sogenannte Baulücken geschlossen, doch auch heute existieren in der Unistadt noch rund 300 unbebaute, aber baureife Grundstücke. Jetzt will der Ex-Grüne es mit einem neuen Werkzeug versuchen.
Beispiel aus einem Tübinger Stadtteil zeigt die höhere Steuerlast
Ab 1. Januar steht Palmer die neue Grundsteuer C zur Verfügung, diese können Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg im kommenden Jahr im Rahmen der Grundsteuerreform verlangen. Mit Folgen für Eigentümer eben jener unbebauter, aber baureifer Grundstücke. Die müssen mit der Grundsteuer C nun deutlich mehr Abgaben zahlen, als wenn sie ihr Eigentum bebauen würden.
Ein Beispiel aus einem Tübinger Stadtteil: Der Eigentümer eines unbebauten, aber baureifen Grundstücks mit einer Fläche von 548 Quadratmetern hat nach der bisherigen Berechnung der Grundsteuer B rund 290 Euro pro Jahr bezahlt, ab 1. Januar wären es im Rahmen der Reform jährlich etwa 1961 Euro für die Grundsteuer B. Doch in Städten wie Tübingen, die nun die Grundsteuer C einführen, erhöht sich der Betrag deutlich: Dann wären es bei diesem Beispiel rund 3923 Euro, die jährlich für die neue Grundsteuer fällig werden.
Boris Palmer: „Ich hoffe, dass das vielen Eigentümern zu teuer ist“
Grund ist der deutlich höher angesetzte Hebesatz für die Grundsteuer C, den Städte und Gemeinden selbstständig festlegen können: 540 Prozent schlägt die Tübinger Stadtverwaltung für die Grundsteuer C vor – doppelt so hoch wie der Hebesatz bei der Grundsteuer B (270 Prozent). An diesem Donnerstag muss noch der Tübinger Gemeinderat zustimmen.
„Ich hoffe, dass das vielen Eigentümern zu teuer ist“, sagt Palmer. Er setze auf die schwäbische Sparsamkeit, die manch einen dazu bringen könnte, sein Grundstück doch zu bebauen – statt jedes Jahr deutlich mehr Grundsteuer zahlen zu müssen. Stimmt der Gemeinderat zu, wäre Tübingen die zweite Stadt in Baden-Württemberg, die die Grundsteuer C mit einem erhöhten Hebesatz endgültig besiegelt.
Tübinger OB: „Wenn Sie bebauen, halbieren Sie Ihre Steuerlast“
Denn beschlossene Sache ist die neue Steuer bereits in Wendlingen (Kreis Esslingen), wo die Stadt „den Flächenverbrauch reduzieren“ möchte: „Die Grundsteuer C soll einen Anstoß geben, Grundstücke, die über Jahrzehnte nicht baulich genutzt werden, einer Bebauung zuzuführen“, heißt es. Auch eine kleine Gemeinde in der Nähe von Freiburg gehört zu den Pionieren: Merdingen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Dort gebe es laut einem Bericht der „Badischen Zeitung“ noch etwa 40 sogenannter Enkelgrundstücke. Sie sind zwischen 250 und 1246 Quadratmeter groß, eines davon ist seit 1962 unbebaut.
Für Boris Palmer ist klar: „Eigentum verpflichtet“ – so stehe es schließlich auch im Grundgesetz. Außerdem sorge die Stadt dafür, dass die Bauplätze erschlossen sind, also über Wasser-und Stromanschluss verfügen. Dann könne man auch verlangen, dass dort Menschen wohnen können. Der Tübinger OB möchte die rund 300 Eigentümer persönlich anschreiben – mit der Botschaft: „Wenn Sie bebauen, halbieren Sie Ihre Steuerlast.“
Andere Städte und Gemeinden bei Grundsteuer C zurückhaltend
Doch anders als die drei Pionierkommunen gibt sich der Großteil der Städte und Gemeinden im Südwesten noch zögerlich. Selbst die Landeshauptstadt, wo die Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht weniger angespannt ist: „Ob das wirklich ein Instrument ist, um Baulücken zu erschließen, bezweifele ich“, sagt Stuttgarts Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann. Der CDU-Politiker glaubt: „Wer ein Baugrundstück hat, lässt sich von einer Grundsteuer C vermutlich nicht beeinflussen.“ Man habe die neue Steuer zwar lange in der Verwaltung diskutiert, aber sie einzuführen, sei ein „wahnsinniger Aufwand“, so Fuhrmann: „Wir werden uns anschauen, was das bei anderen Kommunen bringt.“
Der Blick geht im kommenden Jahr also nach Tübingen, Wendlingen oder Merdingen. Boris Palmer überrascht es nicht, dass einige Kommunen bei diesem „ganz neuen Instrument“ noch zurückhaltend sind, aber der Ex-Grüne fühlt sich durch seine Erfahrungen bei der Verpackungssteuer in Tübingen motiviert. Da würden nun auch weitere Städte im Land wie Konstanz nachziehen. Palmer ist überzeugt: „Nichts überzeugt so sehr wie ein gutes Beispiel.“
Grundsteuer C stößt auf Ablehnung
Kritik
Der Verband der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer „Haus & Grund“ lehnt die Grundsteuer C ab. Diese werde keine neuen Wohnungen schaffen, sagt ein Sprecher: „Sie stellt lediglich einen weiteren Versuch der Städte und Gemeinden dar, sich auf Kosten der Eigentümer zu bereichern.“
Unterstellung
Mit der Grundsteuer C werde „pauschal unterstellt, dass Eigentümer ihre Grundstücke ohne sachlichen Grund nicht bebauen“, heißt es von „Haus & Grund“.