Wie viel Unterstützung benötigt die pflegebedürftige Person? Darum geht es im Gutachten des Medizinischen Dienstes. Foto: dpa/Jana Bauch

Der Medizinische Dienst in Baden-Württemberg setzt wieder auf die Begutachtung zu Hause, unabhängig von der Inzidenz. Das berichtet der Leitende Arzt der Institution.

Stuttgart - Der Medizinische Dienst (MD) orientiert sich nun nicht mehr an der Inzidenz, wenn es darum geht, ob eine Begutachtung von Patienten zu Hause oder telefonisch vorgenommen wird. In Baden-Württemberg würden wieder unabhängig von der Inzidenz Hausbesuche stattfinden, kündigt der Leitende Arzt des MD an, Matthias Mohrmann. Die Umsetzung des Beschlusses dauere noch einige Tage, weil ein Hausbesuch immer etwas Vorlauf bedürfe. Gegen Ende nächster Woche, also rund um den 22. Oktober, oder in der letzten Oktoberwoche dürften die ersten Termine zu Hause stattfinden.

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Damit verabschiedet sich der MD von der Praxis, von der Begutachtung zu Hause ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 abzusehen. Ausschlaggebend dafür ist dem MD-Vertreter zufolge, dass sowohl die vulnerablen Gruppen als auch die Gutachterinnen und Gutachter überwiegend geimpft seien. Außerdem sei die Inzidenz in der Coronaverordnung nicht mehr maßgeblich. Auch die telefonische Begutachtung wird – in reduzierter Form – vorerst bis Jahresende weiterlaufen. In Ausnahmefällen biete man diese noch an, wenn die Gefährdungslage für die Kranken sehr groß sei, zum Beispiel bei schwersten Lungenbeeinträchtigungen.

Auftrag der Pflegekasse soll erst Anfang Juni eingegangen sein

Der MD äußert sich nun doch zu dem Fall der Stuttgarterin, deren Begutachtung erst kurz nach ihrem Tod im Juli nach Aktenlage erfolgt ist. Die Pflegekasse hatte der kranken Frau Mitte April in einem Schreiben eine persönliche Begutachtung durch den MD in Aussicht gestellt, die Mitte bis Ende Mai erfolgen sollte. Dem Vorwurf der Verschleppung tritt Mohrmann entgegen: Der offizielle Auftrag der Pflegekasse an den MD sei erst am 4. Juni ergangen. „Wir wussten, dass sie sehr krank ist, wir wussten jedoch nicht, dass sie lebensbedrohlich krank ist“, erklärt er, warum der Fall „in die reguläre Planung“ einging und sie in der Folge „zu spät dran“ gewesen seien. Die Gutachten würden innerhalb von 25 Werktagen erstellt.

Kurz vor Ablauf dieser Frist sei die Stuttgarterin gestorben, weshalb man nach Aktenlage habe entscheiden müssen. Ansonsten wäre die Stuttgarterin persönlich besucht worden. Zwischen dem 10. Juni und Ende August hätten Begutachtungen zu Hause stattgefunden, weil in dieser Zeit die Inzidenz in Stuttgart stabil unter 50 lag.