Polnische Soldaten sichern die Grenzen. Foto: dpa/Leonid Shcheglov

Im Konflikt um die Migranten in Belarus an der Grenze zu Polen ist weiter keine Lösung in Sicht. Die Menschen aus Krisenregionen, darunter Frauen und Kinder, hoffen darauf, in die EU einreisen zu können. Zwei Gruppen gelingt es zunächst, die Grenze zu durchbrechen.

Warschau - Zwei größere Gruppen von Migranten haben auf ihrem erhofften Weg in die EU Medienberichten zufolge die Grenze von Belarus nach Polen durchbrochen. Mehreren Dutzend von ihnen sei es gelungen, Zäune in der Nähe der Dörfer Krynki und Białowieża zu zerstören und die Grenze zu passieren, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP am Mittwoch unter Berufung auf die Polizei in der Woiwodschaft Podlachien. Einige der Migranten seien nach Belarus zurückgebracht worden, andere seien auf freiem Fuß.

Der Sender zitierte eine Sprecherin des Grenzschutzes, dass in beiden Fällen Zäune und Barrieren gewaltsam niedergerissen worden seien. Die Migranten hätten verschiedene Arten von Gerät und Werkzeug gehabt, wurde ein weiterer Grenzschutzbeamter zitiert. Laut Vorwürfen polnischer Behörden erhalten die Menschen Werkzeug von der belarussischen Seite. Nach dem illegalen Grenzübertritt bei Białowieża habe die Polizei mehr als 50 Menschen gefasst, berichtete die Agentur PAP unter Berufung auf einen Polizeisprecher. Bei der weiteren Gruppe habe es sich um mehrere Dutzend Menschen gehandelt, denen der Grenzdurchbruch gelungen sei. Ein Teil der Gruppe wurde demnach gefasst.

Veröffentlichte Bilder zeigen Verletzte

Der belarussische Grenzschutz veröffentlichte Bilder mehrerer Menschen, die am Kopf und an den Händen bluteten. Zu sehen waren tiefe Schnittwunden in Handflächen, nachdem Menschen versucht hätten, die Stacheldrahtzäune zu überwinden. Es handele sich um Kurden. Sie hätten medizinische Hilfe bekommen, hieß es.

Überprüfbar waren die von der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik am Morgen veröffentlichten Nachtaufnahmen nicht. Gezeigt wurden auch Dutzende Menschen, die in Zelten und an Lagerfeuern ausharrten. Es war zudem ein weinendes Kind zu hören. Die belarussische Staatspropaganda wirft den polnischen Sicherheitskräften ein brutales Vorgehen gegen die Schutzsuchenden vor.

Das polnische Verteidigungsministerium schrieb dagegen am Mittwoch bei Twitter, belarussische Sicherheitskräfte hätten Migranten mit Schüssen eingeschüchtert. Das Ministerium postete dazu ein kurzes Video. Auf dem knapp sechs Sekunden langen Clip sind ein Schuss und Schreie von Menschen zu hören. Auch von Gewalt gegen die Migranten war die Rede.

Beschädigte Grenzbarrieren wurden wieder aufgebaut

Ruhig sei es in der Nacht unterdessen in dem provisorischen Lager der Migranten in Nähe des polnischen Grenzortes Kuznica geblieben, berichtete die Agentur PAP unter Berufung auf die Polizei. Am Montag hatten dort polnischen Behördenangaben zufolge größere Gruppen von Migranten auf der belarussischen Seite in der Nähe des mittlerweile geschlossenen Grenzübergangs vergeblich versucht, die Zaunanlage zu durchbrechen. Beschädigte Grenzbarrieren wurden inzwischen wieder aufgebaut, wie die die polnischen Beamten mitteilten.

In dem Migrantenlager hätten sich am Dienstag etwa 800 Menschen befunden, berichtete am Mittwoch die Zeitung „Rzeczpospolita“ unter Berufung auf polnische Sicherheitskräfte. Was mit den rund 3000 bis 4000 Menschen geschehen sei, die zu Wochenbeginn von Minsk in Richtung polnischer Grenze unterwegs gewesen seien, sei unklar. Unter Berufung auf den Grenzschutz hieß es, sie seien in den Wäldern untergebracht worden. „Wir erwarten einen Sturm auf die Grenze“, wurde ein Beamter zitiert.

Polen hat Tausende Soldaten an Grenze stationiert

Das EU-Mitglied Polen hat Tausende Soldaten an der Grenze stationiert, die einen Durchbruch an den Anlagen mit Stacheldraht verhindern sollen. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte am Dienstag gefordert, die Menschen durchzulassen. Sie wollten sich nicht in Polen niederlassen, sondern vor allem in Deutschland, sagte er in einem Interview.

Die EU sieht Lukaschenko in der Verantwortung für die Zuspitzung der Lage in der Grenzregion. Der als „letzter Diktator Europas“ verschriene Politiker steht im Ruf, die Menschen aus Krisenstaaten wie Syrien, Afghanistan, Libyen und Irak gezielt einfliegen zu lassen, um sie dann in Richtung EU-Grenze zu schleusen.

Lukaschenko weist Anschuldigungen zurück

Lukaschenko hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen und internationale Schleusernetzwerke für die Organisation der Reisen der Menschen verantwortlich gemacht. Er räumte erneut ein, die Migranten auf ihrem Weg in die EU nicht mehr aufzuhalten.

Auf dem Flughafen in Minsk wurden auch am Mittwoch wieder Maschinen erwartet mit Migranten an Bord. Lukaschenko reagierte mit seinem Vorgehen auf Sanktionen des Westens. Die EU hatte die Strafmaßnahmen gegen den Machtapparat in Minsk unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen und der Unterdrückung Andersdenkender verhängt.