Digital oder mit Dampf – beim Eisenbahnclub gibt’s alles zu erleben. Foto: Lg/Max Kovalenko

Stuttgarts größte Modelleisenbahn-Anlage entfachte am Donnerstag bei Kindern und Kennern Begeisterung.

Stuttgart - Dicht an dicht sitzen Touristen im offenen Aussichtswagen, den eine historische Dampflok durch malerische Berglandschaften zieht. In den Räumen des Modelleisenbahn-Clubs Stuttgart (MECS) ist zumindest die verkleinerte Welt pandemiefrei. Und die Besucher, die am Donnerstag die mit 1,5 Kilometern Schienennetz beeindruckende Anlage in Augenschein nehmen, sind selbstredend coronakonform ausgestattet und auf 2G plus hin kontrolliert.

Neben älteren Modelleisenbahn-Enthusiasten sind auffällig viele Familien mit jüngeren Kindern ins Zwischengeschoss der S-Bahn-Station Universität gekommen. Interessiert begutachtet ein Mädchen den doppelstöckigen IC, der in einem Bahnhof wartet. Auch abseits der befahrenen Strecken lässt sich Bemerkenswertes entdecken: Staunend steht Leon (6) vor einer Vitrine mit maßstabsgerecht verkleinerten Baufahrzeugen. Am liebsten würde er ein paar davon mit nach Hause nehmen.

Vollständig digitale Teststrecke

Tatsächlich erwerben lässt sich ein ehemaliger Anlagenteil: eine ausgemusterte Version des Bahnhofs Hochdorf. „Sie ist schon rund 50 Jahre alt und technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand“, erläutert Hans-Ulrich Firnhaber, einer der Club-Vorstände. „Wir haben in Hochdorf vor einem Monat die erste vollständig digitale Teststrecke installiert.“ Das Gelände rund um das Städtchen ist noch im Rohzustand. Dafür fahren die Lokomotiven hörbar schnaufend vorüber. Pfeifen können sie auch. Vor allem aber eigenständig fahren, nach einem Plan, den Matthias Peick, der Mann fürs Digitale, via Mausklick erstellen kann.

Knöpfe und Schalter gehören hier der Vergangenheit an „Wir wollen mit der Zeit gehen und mit der Mischung aus der bisherigen Technik und Neuerungen Jüngere für den Club interessieren“, sagt Firnhaber. Gleich nebenan, in Nordingen, zeigt sich, dass die alten Steuerpulte nichts von ihrer Anziehungskraft verloren haben. Begeistert lässt ein Achtjähriger unter Anleitung von MECS-Mitglied Bernhard Emberger eine Bahn einfahren – zu schnell, weshalb das Schienenfahrzeug über den Bahnsteig hinausschießt. „Dieser Streckenabschnitt ist nur für den Dampf- oder Dieselbetrieb gedacht“, liefert Emberger Hintergrundinformationen. E-Lokomotiven haben in Nordingen Fahrverbot.

Das Hobby bringt Generationen zueinander

Im Nebenraum ist ein Nachwuchs-Modelleisenbahner dabei, eine Holzplatte mit Leim zu bestreichen. Einige Nadelbäume sind schon gepflanzt. Nun gilt es, künstliche Erde aufzubringen. Die Clubanlage im Maßstab 1:87 mit ihren modellierten Felsen, gemalten Hintergründen und liebevollen Details von der Schafherde bis zum forstwirtschaftlichen Fahrzeug mit Baumstämmen inspiriert zu eigenen Gehversuchen. Die hat der ältere Herr, der am Verkaufsstand des Clubs über rare Passagierwaggons fachsimpelt, bereits hinter sich. „Im Grunde ist das ein zeitloses Hobby“, überlegt er. „Wie man sieht, bringt es Generationen zueinander.“ – „So seltsam es klingt: Durch Corona hat die Modelleisenbahn neue Freunde gewonnen“, fügt Hans-Ulrich Firnhaber hinzu. Der stärkere Rückzug ins Eigenheim habe bei manchem Interesse geweckt. Abstandsschilder oder Miniaturmenschen beim Hamsterkauf sucht man in den Clubräumen vergebens. Erhältlich wären sie im Fachhandel durchaus.