Fleischsommelier Frieder Wallenmaier bereitet Maultaschen zu Foto: Mathias Kuhn

Sie sind in vielen schwäbischen Haushalten an Ostern nicht wegzudenken: die Maultaschen. Frieder Wallenmaier vom Restaurant Alte Kelter verrät einige Geheimnisse über die Herrgottsbscheißerle.

Untertürkheim - Sie sind an Karfreitag und an den Osterfeiertagen aus vielen schwäbischen Haushalten nicht wegzudenken: die Maultaschen als Nationalgericht der Württemberger. „Ganz frisch in der Brühe, geschmälzt mit Zwiebeln und Kartoffelsalat oder geröstet mit Ei begeistert die Spezialität aus der schwäbischen Küche längst Menschen aus aller Welt“, sagt Frieder Wallenmaier. Der Metzgermeister und Gastronom des Restaurants „Alte Kelter“ in Untertürkheim muss es wissen. Schließlich ist er Maultaschen-Weltmeister. 1984 hat der damals 37-Jährige es ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft. In 28 Minuten und zwei Sekunden hat er 1232 Maultaschen in Handarbeit hergestellt. Ein Weltrekord für die Ewigkeit. Niemand hat ihn bislang gebrochen. Damit nicht genug: Der Untertürkheimer hat Anfang des Jahres die Prüfung zum diplomierten Fleischsommelier bestanden – als erster Gastronom in Stuttgart. Zusätzlich zu vielen Fachtests musste er eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreiben. „Natürlich über die Maultasche – auch im Hinblick auf seine wichtigste Zutat, das versteckte Fleisch“, sagt er lachend.

Über die Herkunft der Teigspeise und über den Namen der Maultasche kursieren etliche Varianten. Maultaschenforscher Wallenmaier hält sich an die Geschichte über die Hergottsbscheißerla, die Thaddäus Troll festgehalten hatte. Demnach liegt der Ursprung des Nationalgerichts im Kloster Maulbronn. Im 17. Jahrhundert kamen zwei Mönche in der Fastenzeit in den Besitz von Fleisch. Da sie das wertvolle Stück Fleisch – trotz Fastengebot – nicht verkommen lassen wollten, kamen sie auf die Idee es zu verkleinern, mit einer grünen Masse aus Kräutern, Brot und Eiern zu kaschieren und die Masse „vor den Augen des lieben Herrgotts“ als Füllung im Nudelteig zu verstecken. Die neue Fastenspeise war kreiert: die Maulbronner Teigtasche – kurz die Maul-Tasche.

Fast jede Familie hat, was Inhalt und Produktion des Nationalgerichts angeht, ihre eigene Philosophie. „Hauptbestandteil der Maultaschenfüllung ist das Fleisch. Klassischerweise nehme ich Hackfleisch aus Kalb-, Rind- und Schweinefleisch, in der Regel zu gleichen Teilen“, so Wallenmaier. Er schwört auf ausgesuchte Fleischteile regionaler Erzeuger, die er direkt vor der Zubereitung durch den Fleischwolf dreht. Manche Köche geben Speck hinzu. Weitere Zutaten sind Spinat, Petersilie, Lauch, Zwiebeln, Eier, Weißbrot sowie Gewürze wie Salz, Pfeffer und Muskatnuss. Den Teig bezieht Wallenmaier seit Jahrzehnten von einem Bäcker aus Schmiden. „Er besteht aus Hartweizengrieß, Eiern, Wasser und Salz. Er sollte sehr dünn und geschmeidig sein, dabei aber fest und konsistent bleiben, um die Füllung beim Kochen zu halten.“

Dann beginnt der Maultaschenweltmeister sein Handwerk: Geschickt bestreicht er die Mitte der mehrere Meter langen Nudelteigbahn mit der Fleischmasse, schlägt die Masse dann mit den seitlichen Enden der Teigbahn ein und teilt die lange Rolle mit einem Hack-Messer in beliebig große Taschen. „Diese Methode ergibt offene, mehrfach gerollte Teigtaschen, die von Kunden bevorzugt werden“, so Wallenmaier. Die geschlossene Form war – glaubt man der Maulbronner Legende – die klassische. Dabei wird das Fleisch komplett vom Teig ummantelt, der Teiganteil ist größer. Ob geschlossene oder offene Form – anschließend werden sie im Wasser etwa zehn bis 15 Minuten gekocht. Sobald die Taschen oben schwimmen, fischt sie Wallenmaier mit einem Sieb aus dem Topf und lässt sie in kaltem Wasser abkühlen.

Und dann? Auf der Speisekarte der „Alten Kelter“ können die Gäste zwischen fast zwei Dutzend Varianten wählen. Klassischerweise gebe es drei Grundarten, die an Ostern zur Geltung kommen, so Wallenmaier. „In der Karwoche werden Maultaschen auf Vorrat produziert und dann an Gründonnerstag als Maultaschen in einer kräftigen Fleischbrühe, am Karfreitag mit geschmälzten Zwiebeln und einer Soße sowie Kartoffelsalat aufgetischt. Am Karsamstag werden die restlichen Maultaschen in Streifen geschnitten, in der Pfanne mit Butter angeröstet und mit verquirlten Eiern übergossen und herausgebacken.“

In seinem Restaurant bietet der Fleischsommelier zudem eine rein vegetarische Variante sowie Maultaschen mit Pilzen, als „scharfe“ ungarische Abwandlung mit Paprika, eine asiatisch angehauchte Spezialität mit Curry und Ananas sowie weitere Spezialitäten des Gottesbscheißerles an. Auch in Zeiten von Corona sind die Teigtaschen beliebt. Die Alte Kelter ist zwar geschlossen, aber Wallenmaier verkauft seine Maultaschen vakuumiert an Kunden.