Spahn sieht bei der Impfstoffvergabe keine Schuld bei sich. Foto: AFP/STEFANIE LOOS

Der Bundesgesundheitsminister weist Vorwürfe seines Landeskollegen, der Bund trage Mitschuld am Impfstoff-Engpass, von sich. Der digitale Impfpass sorgt für Kritik.

Berlin - Es kracht derzeit zwischen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und seinem baden-württembergischen Amtskollegen Manfred Lucha (Grüne). Lucha hatte Spahn vorgeworfen, der Bund versorge das Bundesland nicht mit genügend Impfstoff und sich auch mit der Bitte um mehr Impfstoff schriftlich an Spahn gewandt. Im Interview mit unserer Zeitung wehrt sich Spahn vehement gegen die Vorwürfe und attackiert seinerseits die Politik seines Südwest-Kollegen. Spahn sagte, Luchas Äußerungen widersprächen „ganz offensichtlich dem, was wir zwischen Bund und Ländern vereinbart haben“. Die Impfstoffe würden „so auf die Länder aufgeteilt, wie es der Bund den Ländern vereinbart hat“. Die konkreten Lieferpläne für April, Mai und Juni kenne Manfred Lucha seit dem 19. April. „Sie wurden von meinem Haus zu keinem Zeitpunkt zulasten der Länder geändert. Wie viel davon wann an welches Impfzentrun im Land geht, das entscheidet ganz allein Stuttgart“, sagte Spahn. Der Bundesgesundheitsminister fügt eine Spitze in Richtung Luchas an: „Außerdem gibt es nach den uns vorliegenden Meldungen durchaus noch Impfstoff in Baden-Württemberg, der bislang noch nicht den Weg zu Patientinnen und Patienten gefunden hat. Etwa von Johnson und Johnson oder Moderna.“

Spahn wendet sich gegen weitere Öffnungen

Das Ziel der Impfkampagne, allen Impfwilligen und Impffähigen ein Angebot zu machen, könnte laut Spahn nach jetzigem Stand bereits „deutlich vor“ dem Ende des Sommers im September erreicht werden. Trotz Fortschritten bei Impfkampagne und Pandemiebekämpfung gelte es weiter, vorsichtig zu sein, sagte Spahn am Freitag in Berlin. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei“. Er appelliere daher an alle, sich auch über die bevorstehenden Feiertage weiter an die etablierten Schutz- und Vorsichtsregeln zu halten. Die Menschen sollten die Feiertage genießen, aber dabei vorsichtig bleiben, mahnte Spahn. Treffen sollten vor allem im Freien stattfinden, zudem sei regelmäßiges Testen angesagt. Er wandte sich zudem gegen zu weitgehende Öffnungen. Die Stadt Stuttgart öffnet die Außengastronomie am Donnerstag. Der Landkreis Böblingen bleibt bei seiner Öffnungsstrategie.

Im Bundestag gibt es Kritik am digitalen Impfpass

Aus dem Bundestag gibt es Kritik am digitalen Impfpass. Gesundheitsminister Spahn hat eine solche App, mit der vollständig Geimpfte, Genesene und Getestete ihre Immunität dokumentieren können, bis spätestens Ende Juni angekündigt. Der EU-Rat und das Europa-Parlament hatten sich am Donnerstag auf gemeinsame technische Standards verständigt, damit solche Apps europaweit nutzbar sind. Für FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kommt der digitale Impfnachweis zu spät. Die Bundesregierung habe „das Thema wie so viele Themen verschlafen“ und damit „die Chance verpasst, digitale Maßstäbe zu setzen“, sagte Theurer unserer Zeitung. Dieses Versäumnis, so Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, „reiht sich ein in eine Kette von Defiziten“ mit Programmen zur Nachverfolgung von Corona-Infektionen und mit der Corona-Warn-App. Sie befürchtet „erhebliche Probleme bei der Nacherfassung der bereits Geimpften“ uns warnt zudem davor, dass der digitale Impfnachweis „nicht hundertprozentig fälschungssicher“ sei. Manipulationen können nach dem geänderten Infektionsschutzgesetz aber hart bestraft werden.