Isabella Weber gilt als Erfinderin der Gaspreisbremse. Foto: University of Massachusetts/privat

Erst ist die Ökonomin Isabella Weber für ihren Vorschlag einer Gaspreisbremse als „dumm“ hingestellt worden. Jetzt hat sie bei „Lanz“ erklärt, warum ein Festhalten an der Schuldenbremse ein riesiger Fehler wäre.

Nein, perfekt sei die eben beschlossene Gaspreisbremse mit ihrer Einmalzahlung im Dezember und der Teildeckelung von März an gewiss nicht. Das hat auch Isabella Weber zugegeben. Trotzdem hat die aus Nürnberg stammende Ökonomin, die an der Universität von Massachusetts lehrt, das Instrument in der Sendung von Markus Lanz verteidigt – und dabei auch ein wenig den neoliberal angehauchten Populismus des CDU-Fraktionsvizes Carsten Linnemann demaskiert. Der hatte nämlich statt einer Gaspreisbremse eine Sozialstaatsbremse gefordert. „Das wäre in der jetzigen Situation eine Katastrophe“, sagte Weber ungerührt.

Tatsächlich saß Weber nicht nur in der Expertenkommission, die die deutsche Gaspreisbremse erdacht hat, sondern war sogar eine der ersten, die danach rief. Schon vor einem knappen Jahr, noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, hatte sie im Angesicht der rapide steigenden Preise einen entsprechenden Eingriff gefordert. Die Lage der Wirtschaft nach dem Corona-Lockdown zeigte für sie Parallelen zur historischen Situation der amerikanischen Ökonomie nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Kriegsproduktion musste auf eine Friedenswirtschaft umgestellt werden. Auch damals kam es zu einer galoppierenden Inflation, die durch gezielte Preiskontrollen eingedämmt werden konnte.

Ein Nobelpreisträger entschuldigt sich

Die im Rückblick durchaus überzeugenden Darlegungen der erst 35-jährigen Professorin wurden allerdings nicht ernst genommen – weder von der Politik diesseits, noch von den Arrivierten der Zunft jenseits des Atlantiks. Stattdessen setzte man auf die Straffung der Geldpolitik. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman nannte Webers Thesen sogar wahrhaft dumm („truly stupid“). Mittlerweile hat er sich dafür entschuldigt.

Bleibt natürlich die Frage, wie eine solche Gaspreisbremse effektiv auszugestalten ist. In der gegenwärtigen Form handele es sich um Sozialpolitik mit der Gießkanne, kritisierte der CDU-Politiker Linnemann. In der Coronakrise hätten die Menschen bis weit in die Mittelschicht sich daran gewöhnt, dass die Politik alle Probleme abfedere.

Linnemann will den Sozialstaat deckeln

Auch bei der Gaspreisbremse würden nun alle wieder gleich behandelt, selbst gut verdienende Politiker oder Fernsehmoderatoren. „Das ist für Politik nämlich viel bequemer“, sagte Linnemann. „Wir brauchen Vorschläge, wie wir nicht mehr soviel Geld ausgeben.“ Eine Sozialstaatsbremse, die die Sozialausgaben etwa bei 30 Prozent des Sozialproduktes deckele, könne dazu führen, dass viel treffsicherer diejenigen unterstützt würden, die es wirklich bräuchten.

Die Ökonomin Weber wollte dieser „Logik der Schuldenbremse“ nicht folgen. In der Krise dürften staatliche Mittel nicht begrenzt sein. „Da haben wir andere ökonomische Annahmen“, sagte sie. In der jetzigen Situation, in der die wirtschaftliche Struktur des Landes auf dem Spiel stehe, müsse schnell gehandelt werden. Zielgenauere Hilfen seien schön, aber dafür fehlten die Daten.

Und was macht Friedrich Merz?

„Mir wäre eine Pro-Kopf-Förderung lieber gewesen. Wir wissen aber gar nicht, wie viele Haushalte sich hinter einer Zählstelle verbergen.“ Das heißt: wenn ab März 80 Prozent des letztjährigen Gasverbrauchs subventioniert werden, dann würden damit zwar auch Villenbesitzer belohnt. Das lässt sich aber nicht vermeiden, da bisher nicht zentral gespeichert ist, ob sich hinter einer Zählstelle eine Villa oder ein Mehrfamilienhaus verbirgt.

Die CDU könne froh sein, dass sie gerade nicht regiert, meinte Julia Löhr, Wirtschaftsredakteurin bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Nach der Niedersachsenwahl ist sie davon ohnehin weit entfernt. Linnemann, der immer wieder betont, dass er vom politischen Sprech selbst angewidert ist, tat sich schwer mit einer Erklärung. Klar sei es in erster Linie eine Niederlage der Landes-CDU. Gleichzeitig räumte er aber ein, dass es von der Bundespartei kaum Rückenwind gab. Da hakte Lanz doch noch mal nach: Der neue Bundeschef Friedrich Merz habe doch versprochen, die AfD zu halbieren. Jetzt habe sie sich verdoppelt. „Ja“, räumte Linnemann ein. „Da ist Merz gescheitert.“