Wie geht es weiter? Markus Lanz befragte seine Gäste zur Ukraine. Foto: imago/Future Image/gbrci

Bei Markus Lanz gerät Russland-Versteherin Krone-Schmalz unter Druck, und Kevin Kühnert (SPD) muss sich für Putin-Freund Schröder rechtfertigen.

Stuttgart - Einen Tag nach den Schockwellen aus Moskau war die Zeit wohl noch nicht gekommen für die kühl-nüchterne Analyse der Russlandexpertin und Ex-Moskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz. Bei Markus Lanz im ZDF sezierte sie am Dienstagabend die Historie, in der Kiew nun einmal „die Wiege des russischen Reiches“ sei, das komplizierte Verhältnis von Russen und Ukrainern sowie die zunehmende Wagenburg-Mentalität der russischen Gesellschaft, die sich nicht in die Rolle von „Wir lügen und wir sind die Bösen“ begeben wolle.

Lanz empört über Putins „dreiste Lügen“

Wladimir Putins „dreiste Lügen vor den Augen der Weltöffentlichkeit“ (Lanz), sein Bruch des Völkerrechts und seine Propaganda mit „fabrizierten Nachrichten“ -beispielsweise mit dem Genozid-Vorwurf an die Ukrainer – erregte die Runde der drei anderen Studiogäste heftig. Aber Krone-Schmalz wollte sich damit nicht aufhalten. „Ich verstehe, dass Sie sich aufregen. Aber uns muss doch etwas Intelligentes einfallen, wie es weitergehen soll“, so Krone-Schmalz. Es sei Völkerrecht verletzt und es seien Regeln gebrochen worden, trotzdem müsse man doch alles tun, um einen Krieg zu verhindern. Vielleicht seien vertrauensbildende Maßnahmen möglich oder Gespräche „über die Konstruktion der Ukraine“.

Studiogäste sind fassungslos

Als Krone-Schmalz, die unter anderem das Buch „Russland verstehen“ geschrieben hat, aber bemerkte, sie könne nicht erkennen, dass Putin in seiner TV-Rede das Existenzrecht der Ukraine infrage gestellt habe, da waren die anderen fassungslos: „Wie bitte“, fragte „Welt“-Vizechefredakteur Robin Alexander, der sich „bestürzt“ darüber zeigte, dass Putin im Prinzip die Zeit bis zum Zarenreich zurückdrehen will und es für einen Fehler hielt, dass Lenin der Ukraine 1917 einen Autonomiestatus verlieh. Auch die zweite Russlandexpertin in der Runde, Gwendolyn Sasse vom Zentrum für Osteuropa-Studien bemerkte, dass sei doch „die Hauptaussage der Rede gewesen“, dass Putin die Unabhängigkeit der Ukraine ebenso infrage stellte, wie ihr Existenzrecht.

Die eine Russlandexpertin widerspricht der anderen

Auch bei anderen Thesen widersprach Sasse ihrer Fachkollegin Krone-Schmalz: Dass die Ukrainer immer noch gespalten seien zwischen einstigen Hitler-Gefolgsleuten im Westen und Stalin-Treuen im Osten, konnte Sasse so nicht nachvollziehen. „Das Bild von der West-Ost-Spaltung ist stark übertrieben. Es gibt im ganzen Land das Gefühl, zu diesem Staat Ukraine dazu zu gehören.“ Seit der Annexion der Krim durch Russland sei diese Identifikation gewachsen. Auch die Ansicht von Krone-Schmalz, dass sich in der Ukraine nach den Majdan-Protesten von 2013/2014 ein „Gegenblock“ zu Russland aufgebaut und die Entfremdung mit Moskau erst stattfand, als sich die Ukraine einseitig dem Westen zuwandte, wollte Sasse so nicht stehen lassen. Die Bevölkerung sei mit dem innenpolitischen System unzufrieden gewesen, habe mehr Demokratie gewollt, aber erst nach der Krim-Annexion habe sie eine wachsende Zustimmung zur EU und eine Annäherung an die Nato gewünscht.

Stopp von Nordstream 2 wird vor allem Deutschland schaden

Einigermaßen isoliert musste sich Krone-Schmalz von Moderator Lanz den Vorwurf anhören, es sei „albern“, wie sie Putin verteidige. Bei ihrer unabhängigen Meinung blieb sie allerdings auch, als es um Nordstream 2 ging, die Pipeline durch die Ostsee, die als Sanktion nun vorerst nicht eröffnet wird.

„Sie können mich schlachten, aber ich halte das für falsch“, sagte Krone-Schmalz. Diese Sanktion werde in erster Linie Deutschland schaden, und es sei zu fragen, warum denn die USA nicht ihre Ölimporte aus Russland stoppten. Danach konnte sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Thema Nordstream 2 erfreuen – allerdings nur für kurze Zeit. Er lobte den Kurs von SPD-Kanzler Olaf Scholz, da der eben „keine präventive Sanktionierung“ betrieben habe, sondern erst im Ernstfall mit der Sanktion rausrückte. Im übrigen sei Deutschland bei den Gaslieferungen zu 51 Prozent von Russland abhängig, die Lager seien noch zu einem Drittel voll „und wir werden diese Heizperiode schon hinkriegen“.

Gerhard Schröder, der größte Gaslobbyist

Dieses Fass hätte Kühnert aber besser nicht aufgemacht, denn Markus Lanz fragte sogleich, ob nicht die SPD eine Mitverantwortung habe für die große Energieabhängigkeit Deutschlands von den Russen, schließlich sei SPD-Altkanzler Gerhard Schröder „der größte Gaslobbyist in Russland“, und Robin Alexander wies daraufhin, dass sich Moskau überall in Europa willfährige Politiker kaufe. Dass die SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig mit russischen Millionen eine Pipeline-Stiftung in Mecklenburg-Vorpommern gegründet haben und sie auch noch Klimafonds nenne, das sei in dem Zusammenhang „hochnotpeinlich“.

Besser ein Deutscher macht es, als ein Chinese

Kühnert meinte, die Stiftung habe der Sanktionsvorbereitung gedient und Schwesig habe die Sanktion der Pipeline ja jetzt mit vollzogen. Was Gerhard Schröder anbelange, so sei der eins von 400.000 SPD-Mitgliedern, das nun mal geschäftlich tätig sei und wenn es sich äußere, dann sei das sicher „interessenorientiert“, aber nicht immer Meinung der Partei. Auch hier zeigte Krone-Schmalz Verständnis. Es sei doch besser, der Deutsche Gerhard Schröder sitze bei Gazprom „als irgendein Chinese“. Aber seine Einkünfte, so meinte sie, könnte der Altkanzler eigentlich für einen gemeinnützigen Zweck spenden. Da widersprach keiner in der Runde.